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Crossover und Team-Writing

Wenn mehrere Autoren an einem Projekt schreiben

10/2025. 1. Jahrgang. S. 1213


Crossover (engl. überkreuzen) sind Geschichten, die eigenständige Charaktere, Schauplätze oder ganze Welten aus unterschiedlichen Büchern zusammenführen, um eine neue, eigenständige Geschichte zu erzählen. Typischerweise treffen zwei fremde Welten aufeinander. Überkreuzen sich drei oder mehr Welten, handelt es sich um ein Multicrossover.


Crossover schreiben

Der Einfachheit halber schauen wir auf das klassische Crossover, das auf mehrere Weisen geschrieben werden kann:


1) Solo-Writing

Beim Solo-Writing wird die Geschichte von einem einzigen Autoren allein geschrieben. In der eigenen Geschichte taucht eine fremde Figur aus einem anderen Projekt auf. Bestenfalls kennt der Autor diese natürlich und ist mit ihr vertraut. Dabei besteht jedoch die Schwierigkeit, die Persönlichkeit und Stimme der Figur genau zu treffen, um sie passend und glaubwürdig umzusetzen. Es empfiehlt sich, einen Steckbrief anzulegen, der die wichtigsten Eigenschaften der Figur und deren Welt beschreibt. Schreiben unterschiedliche Autoren eine Figur, so ändert sich die Erzählstimme logischerweise jedes Mal etwas. Es gilt jedoch, diese bestmöglich an die Originale anzunähern.

Nehmen wir die Buch- und Hörspiel-Reihe „Die drei Fragezeichen“ als Beispiel. In dieser Detektiv-Reihe verfassen verschiedene Autoren die Geschichten auf Grundlage der von Robert Arthur erschaffenen Welt. Die Autoren haben die Freiheit, die Charaktere zu nutzen, dürfen jedoch an den feststehenden Eckpunkten nichts ändern: eine Figur darf nicht umziehen oder sich beispielsweise so schwer verletzen, dass es Auswirkungen auf spätere Folgen hätte. Falls doch, muss dies zwingend vermerkt werden, um keine Logikfehler in die Reihe zu bringen. Ein drastisches Beispiel beschreibt Elfie Donnellys Hörspielreihe „Bibi Blocksberg“, in der Bibi sowohl umzieht, Geburtstag hat und sogar eine Figur (ihr Bruder Boris) aus der Reihe gestrichen wird, was alle späteren Folgen beeinflusst. Bei beiden Reihen ist es möglich, die einzelnen Teile weitestgehend unabhängig voneinander zu hören, was eine (starke) Charakterentwicklung bzw. -veränderung erschweren würde. Mit Blick auf Crossover schrieb Donnelly gleich mehrere Begegnungsgeschichten, in denen ihre Protagonisten Bibi Blocksberg und Benjamin Blümchen aufeinandertreffen. Da beide Welten ihrer Feder entstammen, ist dies kein Problem.

Manche Autoren machen sich dies selbst zunutze, in deren Büchern Figuren oder Elemente aus ihren anderen Geschichte auftauchen. Dies kann ein spannendes Easteregg sein, das häufig nur die treuesten Fans entdecken. Da der Autor alle Figuren kennt, kann keine Unstimmigkeit in der Erzählung entstehen. So webt beispielsweise Wolfgang Hohlbein mehrfach in seinen Büchern bereits bekannte Figuren mit ein. Sofern lediglich die eigene Welt dafür benutzt wird, liegen alle Urheberrechte beim Autoren selbst und ist somit zu hundert Prozent legal. Es bietet eine tolle Möglichkeit, um mit den eigenen Welten zu spielen und diese miteinander zu verweben.


2) Co-Writing

Das Co-Writing ist für ein Crossover einfacher. Zwei Autoren schreiben an einem Projekt und jeder kennt seine eigenen Figuren genau. Ein Dialog kann entstehen, in dem sich die Figuren beider Autoren unterhalten und ihre persönlichen Merkmale beibehalten. Hierfür ist jedoch entscheidend, dass die Schreibstile beider Autoren harmonieren. Bereits zu Beginn sollte klar sein, in welche Richtung die Geschichte führen soll. Beim Co-Writing ist es zu empfehlen, an einem gemeinsamen Dokument zu schreiben (z. B. GoogleDocs ermöglicht es, zur selben Zeit im selben Dokument zu schreiben). Für ein besseres Gelingen ist zu empfehlen, im stetigen Austausch zu stehen, also während des Schreibprozesses entweder zu telefonieren oder besser: wenn machbar, sich persönlich zu treffen. Zunächst sollten die Autoren in einer kurzen Testphase überprüfen, ob die Schreibstile harmonieren. Sind sie beide Plotter oder Pantser? Haben sie die gleichen Vorstellungen? Diese und weitere Fragen müssen vorab geklärt werden, um erfolgreich gemeinsam schreiben zu können.

Der Schreibprozess ist auf mehrere Weisen möglich: satzweise, kapitelweise, figurenweise.

  1. Beim satzweisen Schreiben wechselt der Autor (ähnlich wie beim Endlosbrief, mit der Ausnahme, dass beide Autoren den Text mitlesen) nach jedem Satz. Autor A schreibt Satz 1, Autor B schreibt Satz 2, A wiederum Satz 3 usw. Diese Methode ist die wohl komplizierteste Art des Zusammenschreibens und eher nicht zu empfehlen.

  2. Das kapitelweise Schreiben sieht vor, dass nach jedem Kapitel der Autor wechselt. Hierbei schreibt jedoch jeder Autor jede Figur, was erneut die Schwierigkeit hervorbringt, die Stimme der Figur zu treffen. Es kann passieren, dass die Figuren bei den verschiedenen Autoren auch unterschiedlich reagieren und somit keine Einigkeit im Charakter der Figur entsteht. Eine solche Dissonanz würde die Glaubhaftigkeit zerstören.

  3. Wird das Projekt figurenweise angelegt, behält jeder Autor seine eigenen Figuren inne. Diese Art des gemeinsamen Schreibens ist eine Mischform, die je nach Szene variieren kann. Im Schreibprozess obliegt es jedem Autoren, seine eigenen Charaktere handeln und sprechen zu lassen. So kann Autor A mit Autor B im Dialog abwechselnd je einen Satz mitsamt Inquit-Formel (Redebegleitsatz) schreiben. Gibt es jedoch Szenen, in denen lediglich eine Figur vorkommt oder mehr Handlung aufweist, schreibt lediglich ein Autor an dieser Szene. Ebenfalls ist es möglich, generell gemeinsame Bücher nach diesem Schema zu schreiben. Hierfür werden zunächst die Figuren aufgeteilt, sodass jeder Autor nur bestimmten Figuren seine Stimme leiht.


3) Team-Writing

Zuletzt gibt es die Variante des Team-Writings, nach dem beispielsweise das prominente vierköpfige Autorinnen-Team unter dem Pseudonym Erin Hunter unter anderem die „Warrior Cats“-Reihe schreibt. Hier werden die verschiedenen Bereiche aufgeteilt. Victoria Holmes entwirft die Handlungsstränge und erstellt detaillierte Skizzen für die Bücher, die ihre Kolleginnen schreiben und später überarbeiten.

Andere Möglichkeiten sind ganze Schreibgruppen über digitale Plattformen (z. B. story.one oder crowdbook.app), bei denen viele Schreiber an einer Geschichte beteiligt sind. Jeder Autor bringt seine ganz eigene Stärke ein. Diese Community-Projekte erlauben, je nach Art der Umsetzung, eine große Autorengruppe und profitiert damit von einer großen Bandbreite an spezifischem Wissen und Fähigkeiten.


FanFicton: eine rechtliche Grauzone

Bei Projekten, an denen mehrere Verfasser beteiligt sind – sei es nun gemeinsam geschrieben oder eine basierend auf einem anderen Werk auftauchende Figur –, muss das Urheberrecht gewahrt und genau geprüft werden, ob und auf welchem Wege die Geschichte veröffentlicht werden darf. Häufig schreiben Fans sogenannte Fanfictions, die ohne Zustimmung der Urheber nicht erlaubt und somit rechtlich illegal sind. Beim Veröffentlichen dieser Geschichten bewegt man sich in einer rechtlichen Grauzone, da viele Rechteinhaber diese dulden, sofern sie ausschließlich nicht-kommerziell genutzt werden und sich weit genug vom Originalwerk distanzieren, um Urheberrechtsverletzungen zu umgehen. Darüber müssen sich die Fans bewusst sein. Es gibt Seiten wie FanFiktion.de, auf denen solche Geschichten geduldet werden. Nichtsdestotrotz stellen jene Geschichten gleichzeitig Werbung dar. Unbeliebte Bücher werden wohl kaum so oft als Vorlage genutzt. Die mit Abstand bekannteste Reihe an Fanfictions ist die Adaption zu Rowlings „Harry Potter“: allein FanFiktion.de listet aktuell 58.750 Geschichten.


Zusammenfassung

Zusammenfassend bieten Crossover ein großes Potenzial an neuen Geschichten und gemeinsamen Projekten. Schreiben die Autoren selbst gemeinsam ein Crossover, verbleibt das Urheberrecht bei ihnen und ist somit frei nutzbar. Bedient man sich an fremden Werken, sollte dies bestenfalls noch vor Verfassen der Geschichte geklärt werden, um unnötige Schwierigkeiten zu vermeiden und Rechtsproblemen vorzubeugen. Außerdem wäre es schade, wenn die Mühe und die Zeit, die in der Geschichte steckt, nicht dadurch gewürdigt werden kann.

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