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Eine Stunde zu spät

Vera Sturm

Zeitumstellung

Die Zeit wird zweimal im Jahr umgestellt: Von Sommerzeit (27.03. bis 30.10.) auf Winterzeit (01.11. bis 26.03.) und wieder zurück, um die Energie besser zu nutzen.

Kim, Dina und ich hatten uns im Park verabredet. Wir trafen uns ab und zu, um einfach mal die Seele baumeln zu lassen und zu reden, wie man es so schön sagte. Doch auf Kim warteten Dina und ich scheinbar vergeblich. Es war bereits eine dreiviertel Stunde nach zehn Uhr – um zehn Uhr hatten wir uns verabredet.

„Kim scheint nicht mehr aufzutauchen“, murrte ich. „Wenn sie nicht bald kommt, gibt es nichts mehr, worüber wir quatschen können.“

„Vera, bleib entspannt, Kim wird sicher gleich auftauchen. Normalerweise ist sie schließlich pünktlich“, beschwichtigte mich Dina. Selbst Luna, Dinas silbergraue Labradorhündin, winselte unruhig.

„Meinst du nicht, wir sollten uns Sorgen machen? Es ist doch merkwürdig, dass sie nicht auftaucht.“ Am liebsten würde ich bei ihr vorbeigehen und nach dem Rechten sehen.

„Na gut, Sorgen können wir uns machen, aber ich würde noch etwas warten“, fand Dina.

„Warten? Worauf denn?“

In diesem Moment tauchte Kim endlich auf. Sie sah weder abgekämpft noch schlecht aus.

„Ihr seid schon da?“, begrüßte sie uns glücklich. „Und ich dachte schon, ich bin zu früh.“

„Zu früh?“ Ich sprang auf, ohne sie richtig zu begrüßen. „Kim, ist das dein Ernst? Zu früh? Du bist über eine dreiviertel Stunde zu spät!“

„Ich bin was?“ Geschockt guckte sie auf ihre Armbanduhr. „Nein, schau“, sie tippte auf ihre Uhr und hielt sie mir hin, „es ist fünf vor zehn. Ich bin sogar überpünktlich.“

„Kim, hast du etwa nicht mitbekommen, dass die Zeit umgestellt wurde?“, stöhnte Dina auf.

„Die Zeit? Wieso denn das?“ Sichtlich verwundert begann sie ihre Uhr zu verstellen. „Und wohin wird sie verstellt?“

„Äh, Sommerzeit – Winterzeit! Schonmal davon gehört?“, nörgelte ich. Das konnte nicht ihr Ernst sein. Zumindest wusste ich jetzt den Grund für ihre Verspätung.

„Stimmt, da war etwas. Meine Mum hat auch immer davon erzählt, wie sehr sie es nervt. Meine Grandma hat da allerdings nie mitgemacht. Sie hat dauerhaft nach der Sommerzeit gelebt. Das hat ihr besser gefallen“, erinnerte sich Kim.

„Das ist nicht dein Ernst!“, wunderte sich Dina. „Wie soll das bitte gehen?“

„Frag mich nicht. Sie hat es gemacht.“ Kim zuckte mit den Schultern, dann setzte sie sich neben Dina auf die Bank. Auch ich gesellte mich wieder zu ihnen.

„Die Zeit wird immer im Winter und im Sommer um eine Stunde verstellt“, klärte Dina uns auf.

„Und woher weiß man, wann und wohin?“, erkundigte sich Kim.

„Entweder du schaust ins Internet oder du weißt es. Ich merke es mir so: Im Sommer werden die Gartenmöbel nach draußen gestellt – dementsprechend wird die Zeit um eine Stunde vorgestellt –, im Winter kommen die Gartenmöbel wieder rein – also wird die Zeit um eine Stunde zurückgestellt. Daher kamst du auch eine Stunde zu spät.“

„Ah, okay. Also heißt das, dass ich im Winter eine Stunde mehr habe? Also einen 25-Stunden-Tag?“

„Das hättest du wohl gerne“, lachte Dina auf. „Nein. Die Stunde, die im Winter weggenommen wird, wird im Sommer wieder dran gehängt. Jeder Tag hat weiterhin 24 Stunden. Nur die beiden Tage an der Umstellung ändern sich.“

„Aber wozu wird das überhaupt gemacht?“, fragte Kim weiter, als sei sie in der Schule und müsse ein neues Thema erarbeiten.

„Das kann ich dir beantworten“, meldete ich mich zu Wort. „Der Hauptgrund ist, dass dadurch das Tageslicht besser genutzt und Energie gespart werden kann. So soll im Winter durch die Stunde mehr Zeit gewonnen werden, in der es noch hell ist. Das ist auch für die aktuelle Krise mit Strom und generell Energieengpass nicht ganz irrelevant. In Deutschland wurde die Sommerzeit 1916 unter Kauser Wilhelm Ⅱ. Eingeführt, bevor sie in der Weimarer Republik wieder abgeschafft wurde.“

„Was für ein Schwachsinn!“, fand Kim. „Wieso dieses ewige Hin und Her?“

„Da fragst du leider die falsche. Ich habe keine Ahnung. Wahrscheinlich, weil es durch den Beginn des Kriegs wieder günstigere Bedingungen gebraucht wurden, um besser kämpfen zu können. So konnte die gewonnene helle Stunde an Tageslicht die Arbeitszeit verlängern.“

„Ich sage es noch einmal: so ein Schwachsinn!“

„Das ist es. Und es geht noch weiter. Nach dem Krieg wurde es wieder abgeschafft und zur Folge der Ölkrise in den 1970er Jahren wurde die Sommerzeit 1980 in Deutschland wieder endgültig eingeführt.“

„Also hat es doch viele Vorteile“, konnte sich Kim dafür begeistern.

„Nicht wirklich. Diese Umstellung bringt jedes Mal aufs Neue den Biorhythmus des Körpers durcheinander, was nicht sehr gut ist.“ Dina gähnte herzhaft. „Ich habe zum Beispiel so meine Probleme damit. Ich verfluche diese Zeitumstellung. Sollen die Leute doch länger schlafen, dann brauchen sie auch keine Energie!“

„So einfach ist das leider nicht“, gab ich traurig lachend zu. Auch mir wäre es deutlich lieber, diesen ständigen Wechsel zwischen Sommer- und Winterzeit abzuschaffen, doch das lag leider nicht in meiner Hand. Und einfach, wie Kims Oma es getan hatte, permanent in der gewünschten Zeit zu leben, funktionierte auch nicht wirklich gut, da man so jeden Termin umrechnen müsste. Nein, auch wenn es blöd war, sollte man sich dieser Zeitumstellung anpassen.

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