top of page

I‘m veggi, how are you?

Kim Posse

Umarme-einen-Vegetarier-Tag

„Ihr müsst mich umarmen“, erklärte ich meinen Freundinnen.

„Wir müssen? Wieso das?“ Vera verschluckte sich fast an ihrem Eiskaffee.

„Wir müssen gar nichts!“, meinte Dina sofort.

„Heute ist der Umarme-einen-Vegetarier-Tag“, klärte ich sie auf.

„Der was?“ Beide brachen in schallendes Gelächter aus. „Das hast du doch erfunden. Und weil du keinen Freund abgekriegt hast, suchst du dir auf diese Weise die nötige Zuneigung.“

„Ihr seid immer direkt so gemein zu mir!“ Das kränkte mich wirklich. „Der internationale Umarme-einen-Vegetarier-Tag findet jährlich am vierten Freitag im September statt – also heute. Er wurde von der Tierschutzorganisation PETA ins Leben gerufen.“

„Von wem?“, hakte Vera nach.

„PETA bedeutet People for the Ethical Treatment of Animals.“

„Aha“, meinte Dina, die wohl nicht wusste, was sie darauf sagen sollte. „Und was soll dieser Tag bezwecken?“

„Er soll alle Menschen würdigen, die auf Fleisch verzichten und sich vegetarisch oder vegan ernähren.“

„Gut, das ist ein Punkt. Davor habe ich größten Respekt. Ich könnte das allerdings nicht.“ Vera schlürfte geräuschvoll.

„Ich konnte es mir auch nie vorstellen. Grillen ohne Steak? Nie im Leben! Aber hey, das ist absolut okay für mich. Ich futtere mich durch die Beilagen, die leckeren Salate und das Grillgemüse. Mehr brauche ich nicht, um glücklich zu sein!“

„Beeindruckend“, fand Dina.

„Zudem ist es ohnehin gesünder, sich vegetarisch oder sogar vegan zu ernähren?“

„Kannst du das belegen?“ Dina wirkte skeptisch.

„Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass sogar schädlich für den menschlichen Körper sein kann. Leider essen viel zu viele Menschen viel zu viel Fleisch. Seit einiger Zeit besteht sogar seitens der WHO eine konkrete Gesundheitswahrung durch den Verzehr von Fleisch. Vor allem verarbeitetes und rotes Fleisch soll nachweislich krebserregend sein.“

„Echt jetzt? Oder versuchst du gerade, uns zu bekehren?“, wunderte sich Dina, die es nicht ganz glauben konnte.

„Nein, nur darüber aufklären. Entscheiden sollt ihr selbst!“ Als überzeugte Vegetarierin war es mir ein großes Anliegen, meine Freundinnen zumindest zu informieren. „Abgesehen von hoher Wasserverschwendung, Tierquälerei durch Massentierhaltung oder eine Überdosis an Antibiotika, damit die Tiere unter diesen unwürdigen Verhältnissen nicht alle sofort krank werden. Und dieses mit Antibiotika verseuchte Fleisch essen wir Menschen dann wieder. Na lecker!“ Ich schüttelte mich bei dem Gedanken. „Es gibt noch weitaus bessere Gründe, wieso es sinnvoll ist, sich fleischlos zu ernähren.“

„Na dann schieß mal los.“ Vera richtete sich auf. Sie schenkte mir ihre gesamte Aufmerksamkeit.

„Vegetarier leiden seltener an Bluthochdruck, Diabetes sowie Gallen- und Nierenstein. Zudem haben Vegetarier ein 29 Prozent niedrigeres Risiko für Herzerkrankungen und ein 18 Prozent niedrigeres Krebsrisiko.“

„Perfekt, dann kannst du ja dein gesteigertes Krebsrisiko durch Sonnenbrände ausgleichen“, meinte Vera und brach.

Es stimmte leider. Im Sommer gab es gefühlt keinen Tag, an dem ich nicht rot leuchtete. Ansonsten war ich weiß. Unbeirrt teilte ich ihnen den Punkt mit

„Durch den Verzicht auf Fleisch nimmt die Fettleibigkeit ab.“

„Das ist praktisch.“ Dina strahlte. „Da kann man ja was für die Figur tun.“

„Und ob! Wieso sehen Vegetarier so gut aus?“, foppte ich sie.

„Es gibt auch regelrechte Biotonnen“, konterte Dina direkt.

„Gut, dicke Menschen gibt es natürlich überall. Es ist nicht nur gesünder, Veganer und Vegetarier haben mehr schützende Arten von Darmbakterien.“

„Wieso das?“, erkundigte sich Vera.

„Unser Darm mag Obst und Gemüse am liebsten – so wie ich.“

„Und wenn du pupst, bist du eine Bio-Gasanlage“, meinte Dina trocken.

„He!“, beschwerte ich mich, musste aber lachen. „Dafür rieche ich besser. In einigen Studien wurde sogar der Schweißgeruch von Veganern und Vegetariern angenehmer bewertet als der von Fleischessern.“

„Dann will ich nicht wissen, wie du gerochen haben musst, als du noch Fleisch gegessen hast“, meinte Dina piesackend.

„Gerade dir würde es guttun, auf Fleisch zu verzichten! Bei vegetarischer Ernährung wird man empathischer. Die betreffenden Regionen im Gehirn sind bei Veganern und Vegetariern aktiver als bei Fleischessern.“

„Das hast du jetzt aber erfunden“, motzte Dina, die wirklich gehässig sein konnte.

„Nein, das ist die Wahrheit!“

„Ich bin empathisch!“

„Nicht bei mir!“

„Deine Punkte sind wirklich gut, Kim, aber fehlen dir nicht wichtige Nährstoffe?“, wandte Vera ein. „Im Fleisch sind wertvolle Mineralstoffe wie Eisen und Zink enthalten. Zudem liefert es uns wichtige Vitamine wie B1, B2, B6 und B12. Letzteres ist nur in Fisch, Fleisch und Eigelb enthalten.“

„Aus diesem Grund ist es wichtig, sich bei vegetarischer Ernährung ausgewogen zu ernähren, um die fehlenden Nährstoffe und Vitamine aufzunehmen“, entkräftete ich sofort ihr Argument.

„Hm, damit muss man sich aber gut beschäftigen“, meinte Dina.

„Du sagst es. Vegetarier wird man ja nicht über Nacht. Das geht eine Weile. Ein Freund aus England wollte bewusst ein Jahr weitestgehend auf Fleisch verzichten und ging dann einen Schritt weiter, um vollends auf Fleisch zu verzichten. Allerdings isst er selten noch Fisch, durch die darin enthaltenen Omega-3-Fettsäuren. Er ist ein Pescetarier. Ganz selten isst er auch Schalen- und Krustentiere.“

„Damit würde ich mich arrangieren“, fand Vera. „Ein Jahr sozusagen üben, bevor es ernst ist. Ja, das will ich ausprobieren.“

„Ich unterstütze dich dabei“, versprach ich ihr. „Dadurch tust du nämlich nicht nur dir etwas Gutes, sondern auch der Umwelt und ihren natürlichen Ressourcen. Und jetzt umarmt mich endlich. Heute ist der Umarme-einen-Vegetarier-Tag!“

„Und ich will einen Versuch starten und mich flexetarisch ernähren, also gelegentlich Fleisch und Fisch essen.“ Mit Dinas Vorhaben war ich mehr als einverstanden. Wenn jeder einen kleinen Beitrag leistete, war schon viel gewonnen.“

„Komm her, lass dich drücken!“ Vera presste mich an sich und knuddelte mich durch.

„Dann will ich nicht so sein.“ Dina streckte ihre Arme aus. Auch von ihr bekam ich eine feste Umarmung.

„Danke, jetzt bin ich glücklich!“

bottom of page