Víspera de Todos los Santos
Dina Noche Prudencio
Deine Lieblingsfigur wacht am Morgen nach HALLOWEEN auf. Ein Monster befindet sich in ihrem Arm …
Ich erwachte auf einer Parkbank mitten im Watthaldenpark. Es dämmerte bereits und die ersten Sonnenstrahlen drangen durch die von Nebel verhängten Blätter. Ich fror. Eine schaurige Kälte überlief mich. Wie … war ich hier bloß hierher gelangt? Ich wusste nur noch, dass gestern Halloween gewesen ist, doch wieso war ich hier? Wie war ich hergekommen – auf eine kalte, nasse Parkbank?
Als ich mich unsicher umblickte, merkte ich etwas Weiches an meinem Arm. Es war noch nicht ganz hell, doch ich erkannte, dass es Luna war, meine silbergraue Labradorhündin, die ich nach dem Mond benannt hatte.
„Luna, weißt du, wie ich hierhergekommen bin?“ Ich fuhr ihr durchs Fell, das leicht klamm war. An den Spitzen hatten sich Tautropfen gebildet, die nun an meinen Fingern klebten.
Sie winselte nur zur Antwort, doch als ich ihr über die Schnauze fahren wollte, glitt meine Hand über eine raue Stelle, die ich nicht zuordnen konnte.
„Luna, was hast du da?“ Gerade wollte ich mich vorbeugen und nachschauen, als sie sich von meinem Schoß wandte und mich anblickte. Doch was mir da mit grässlicher Fratze entgegenblickte, war nicht Luna. Vor Schreck schrie ich auf und stieß das haarige Etwas von mir. Es fletschte die Zähne und fauchte mich an.
„Was bist du für ein Vieh?“, kreischte ich panisch und sprang auf. Dabei knickte mir der Absatz meines Schuhs um. Absatz? Verdattert zog ich meinen High Heel aus, von dem ich nicht einmal wusste, wie er an meine Füße gekommen war. Noch nie hatte ich freiwillig solche Dinger angezogen. Und hätte ich es getan, könnte ich mich sicher daran erinnern.
Doch mein Hauptproblem waren gewiss nicht diese Schuhe. Das fauchende Monster war weitaus schlimmer. Zumal ich solch ein Vieh noch nie zuvor gesehen hatte.
„Was bist du?“, brüllte ich, um das Fauchen zu übertönen. „Und wie, zum Teufel, bist du auf meinen Schoß gekommen? Wie bin ich hierhergekommen?“ Ich merkte, wie ich leicht zitterte, ob vor Angst, Wut oder Kälte wusste ich nicht genau, doch dass mir nicht wohl war, wusste ich ganz genau.
Ich tastete in meiner Hosentasche und fand mein Handy, das ich erleichtert hervorzog. 05:27 Uhr las ich auf dem viel zu hellen Display. Wieder fauchte mich das eigenartige Wesen, das eine Mischung aus einem zu groß geratenen Hamster und einem Vampir zu sein schien. Es war mir unerklärlich, wie die Natur solch ein Geschöpf hervorgebracht hatte. Zumal ich noch nie eines dieser Art zu Gesicht bekommen habe.
Lag es an Halloween? Drogen hatte ich keine genommen, das wusste ich. Wobei, was wusste ich wirklich? Ich wusste weder, wie ich hierhergekommen war, noch was da vor mir saß und fauchte.
„Oh, lass es einfach ein widerlicher Albtraum sein! Ich will einfach aufwachen und in einem warmen und gemütlichen Bett liegen. Neben mir Luna, die mich schwanzwedelnd begrüßt und mich abschleckt.“ Ich guckte das Monster zu meinen Füßen an. „Nicht so eine abscheuliche Kreatur wie du es bist.“
Das Monster glotzte mich allerdings nur an, schien mich nicht zu verstehen, schien in mir nur einen Feind zu sehen – oder Nahrung. Schlagartig wurde mir noch mulmiger.
„Ich will hier weg! Schleunigst!“ Ich fröstelte und blickte mich panisch um. Keine Menschenseele war zu sehen. Glücklicherweise auch nicht noch ein solches Monster. Daher fasste ich allen Mut, der noch übrig war und sprang laut schreiend über das haarige und bedrohlich fauchende Vieh, um mehr oder weniger heil dahinter im matschigen Gras zu landen. Meine Absätze sanken augenblicklich tief in die Erde, sodass ich das Gleichgewicht verlor und langgestreckt ins Gras stürzte. Wutentbrannt und völlig verzweifelt rappelte ich mich auf, riss mir diese entsetzlichen Schuhe von den Füßen und rannte über die Wiese, bis ich den schottrigen Weg erreichte. Diesem folgte ich bis zur Straße, von wo aus ich völlig aufgelöst in Richtung Innenstadt lief. Mir war egal, wer mich so sah. Ich musste furchtbar aussehen. Mir war egal, ob mich jemand selbst für ein Monster halten würde, für eine Moorleiche, für einen Zombie, für was auch immer. Mir war alles egal. Ich wusste, dass ich all das nicht war und nur noch nach Hause wollte.
In diesem Moment vernahm ich das abscheuliche Fauchen erneut und hörte, wie sich das Monster aus dem Park mir näherte. Meine Füße schmerzten, als ich zu rennen begann. Der Asphalt fühlte sich an wie kalte Messerklingen, doch ich rannte – so schnell ich konnte, so schnell mich meine wunden Füße trugen.
Da sah ich endlich die ersten Häuser. Straßenlaternen erhellten die Wege. Unsicher blickte ich mich um und wagte einen Blick auf meinen unheimlichen Verfolger, doch dieser scheute zu meiner Verwunderung das Licht. Sobald es damit in Berührung kam, fauchte es schmerzhaft auf, als sei es verbrannt worden. Es wich rasch in die Dunkelheit zurück und blickte mich durch seine feurig roten Augen an.
Eilig drehte ich mich um und nutzte die Gelegenheit. Immer schneller lief ich, bis ich schließlich erneut zu rennen begann. Und ich hörte erst wieder damit auf, als ich das Haus erreichte, in dem ich zusammen mit meiner Mutter eine Wohnung hatte. Erleichtert drückte ich den Klingelknopf, dann sank ich erschöpft zu Boden. Die Klingel jedoch wollte gar nicht aufhören zu schellen.
Da schlug ich die Augen auf und begriff, dass es mein Wecker war, der gerade klingelte. Ich lag in meinem Bett, Luna neben mir. Mein kompletter Körper war verschwitzt.
„Luna“, murmelte ich erleichtert, „du glaubst gar nicht, was für einen schrecklichen Traum ich hatte.“ Luna hob den Kopf und beschnupperte mich.
Doch als ich aufstand, bemerkte ich, dass meine Füße aufgeschürft waren, als ob ich wirklich barfuß die Straße entlang gerannt wäre. Unheimlich. Sie waren sogar leicht dreckig. Nun zweifelte ich doch, ob es nur ein Traum gewesen war. In diesem Moment begann Luna zu fauchen und blickte mich aus rot glühenden Augen an. Erschrocken taumelte ich einige Schritte zurück und stolperte über einen High Heel, der aussah, als sei jemand damit durch eine nasse und matschige Wiese gelaufen …