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Prota-Streit XXL - Kims Rache

Ungewollt finde ich mich im größten Streit mit meiner Buchfigur Kim Posse wieder, die gerade randaliert und nicht mehr zu bremsen ist ...

Doch wie kam es dazu? Kim ist schon des öfteren unglücklich darüber gewesen, dass sie nicht die einzige Figur ist, über die ich schreibe. Nun ja, meine Grizzly-Reihe war eben lange vor ihr da. Doch wie es dazu kam und wie es ausgeht, könnt bzw. konntet ihr auf Instagram live mitverfolgen. Hier die Beiträge, in denen es so richtig zu brodeln beginnt.


Immer mal wieder ließ sie mich über den #protabrief_montag mal mehr, mal weniger direkt wissen, dass es ihr langweilig wird und ihre Geschichte doch endlich weitergehen solle. Ein Auf und Ab der Gefühle, jedoch immer auf Anklage-Position. Doch was ist der wahre Grund? Begann alles, dass Kim ihren Namen ändern musste? Klar, ich verstehe, dass es nicht schön ist, den Namen wechseln zu müssen, aber war das der Auslöser?

Vermutung 1: Namenstausch (von Kim Possible zu Kim Posse)

#protabrief_montag: Namenstausch

Ich habe ein Anliegen …

Schweren Herzens muss ich euch meinen Entschluss mitteilen, dass ich mich umbenennen möchte bzw. muss, da mir keine andere Wahl bleibt. Mein Name „Kim Possible“ ist markenrechtlich geschützt. Daher nenne ich mich fortan „Kim Posse“. Die Anträge dafür wurden bereits genehmigt.

Namenstausch

„Mädels, ich muss mit euch reden.“ Ich hatte meine Freundinnen zu mir gebeten, um ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen. Auch meine beiden WG-Mitbewohnerinnen waren da.

„Worum geht es?“, wollte Vera wissen.

„Um meinen Namen.“

„Wie?“ Verdutzt guckten mich alle an.

„Ich werde mich umbenennen. Ich habe lange gebraucht, bis mir klar wurde, dass ich unmöglich weiterhin so heißen kann“, erklärte ich.

„Wieso das?“

„Ich habe recherchiert und herausgefunden, dass Kim Possible ein eingetragener Markenname ist, der geschützt ist. Ihr kennt doch sicher die Kim Possible aus dem Cartoon.“

„Ja, schon“, setzte Vera an.

„Kurzum, ich darf so nicht weiter heißen“, klärte ich sie auf.

„Das ist eine harte Nuss“, brachte meine Mitbewohnerin Lisa hervor. Sie konnte es nicht glauben.

„Und wie wirst du dich nun nennen?“, erkundigte sich Dina.

„Kim Posse. So habe ich weiterhin meine Initialen K.P. im Namen. Und das Wortspiel funktioniert auch noch halbwegs. Auch ist es deutlich einfacher, meinen Nachnamen zu ändern als meinen Vornamen. Allein schon für euch zu merken und für den Autor, der ja alles umschreiben muss“, zählte sie die Gründe auf.

„Puh, daran habe ich gar nicht gedacht“, staunte Mara.

„Na ja, theoretisch ist er selbst schuld. Er hätte es bereits früher merken müssen. Nun kann er die Suppe auch auslöffeln!“, meinte Kim schulterzuckend.

„Und wie wäre es mit Kim Portant?“, schlug Lisa vor. „Kim Portant – important.“

„Das ist auch nicht schlecht“, musste ich zugeben, doch es gefiel mir nicht ganz so gut. Auch der Leitspruch meiner Urgroßmutter „For a Possible nothing is impossible“ würde nicht mehr funktionieren. „For a Portant nothing is important“ wäre eher ein Ausruf der Lustlosigkeit.

„Nein, ich bleibe dabei: Ich werde mich Kim Posse nennen“, teilte ich ihnen meinen Entschluss mit.

„Ich finde es großartig und sehr mutig, dass du diesen Schritt gehst“, fand Vera. „Ich wollte meinen Namen nicht ändern.“

„Das mache ich ja auch nicht freiwillig“, gestand ich. Doch von Possible zu Posse konnte ich mich abfinden. Schließlich blieb mein Name ähnlich. „Und mit euren Namen seid ihr alle zufrieden oder will noch jemand seinen Namen ändern? Dann sagt es am besten sofort, sodass der Autor es in einem Abwasch ändern kann.“

„Also ich bin rundum zufrieden“, ließ mich Vera Sturm wissen. Ich fand auch, dass ihr Name hervorragend zu ihr passte. Ihre teils stürmische Art unterstrich ihren Namen ausgezeichnet. Manchmal auch ihre innere Ruhe, um die ich sie beneidete, als Ruhe vor dem Sturm.

„Ich liebe meinen Namen ebenfalls“, meinte Dina Noche Prudencio. Ihren Namen würde sie wohl nie eintauschen, da er ja von ihrem Vater kam, den sie so liebte und leider viel zu selten sah.

„Wir sind auch glücklich“, stimmten Lisa und Mara zu.

„In Ordnung, also nur ich. Dann gebe ich das so weiter“, meinte ich und begann die nötigen Formulare auszufüllen, um meine Namensänderung zu beantragen.

„Und das geht so einfach?“, fiel Dina ein.

„In Deutschland ist das mit viel Papierkram verbunden, aber es geht. Man kann den Nachnamen nach einer Hochzeit schließlich auch ändern. Auch in außergewöhnlichen Härtefallen kann der Nachname geändert werden: bei Mobbing oder zu häufiger Verwechslung, die zur Belastung führt. Das ist mit dem Vornamen deutlich komplizierter. Dafür braucht man schon triftige Gründe und hat nur selten Erfolg.“

„Und diese wären?“, wollte Mara wissen.

„Ich habe das mal herausgesucht. Nach einer Geschlechtsumwandlung – da ist es sogar relativ leicht –, wenn ein ausländischer Vorname eingedeutscht werden soll oder bei einer Adoption. Das geht aber nur, wenn man nicht schon mehrere Vornamen trägt. Da kann man nur den Rufnamen ändern. Aber das ist heute deutlich leichter“, teilte ich mein Wissen.

„Stimmt“, fiel Vera ein. „Früher haben die Eltern nach der Geburt nicht nur die Namen, sondern auch deren Reihenfolge und damit den Rufnamen festgelegt. Heute stehen alle Vornamen gleichberechtigt nebeneinander. Dadurch kann man selbst frei wählen, welchen man hauptsächlich nutzen will.“

„Das ist ja abgefahren“, staunte Lisa.

„Aber es ist auch gut so“, wandte Mara ein, „sonst würde sich ja jeder den Namen ändern lassen, nur weil es gerade nicht in den Kram passt.“

„Genau, darum ist es auch deutlich einfacher, den Nachnamen zu ändern.“ Nur einen Punkt hatte ich bisher außer Acht gelassen: Ich würde zwangsläufig auch meine komplette Familie umbenennen, von der ich nicht wusste, ob sie alle einfach so mitmachten. Hier war wohl einer der Vorteile, Figur in einem Buch zu sein: Es ist nahezu alles möglich.

„Und was kostet der ganze Spaß?“, überlegte Vera.

„Beim Vornamen maximal 255 Euro, der Nachname bis zu 1.022 Euro“, antwortete ich wie aus der Pistole geschossen.

„Hut ab, du hast dich ja richtig gut informiert“, lobte sie mich.

„Klar, schließlich habe ich vor, meinen Namen zu ändern. Leider ist es auch so, dass ich die Verwaltungskosten zahlen müsste, würde der Antrag abgelehnt werden. Aber da mache ich mir keine Sorgen.“

„Wie kannst du dir da so sicher sein?“, hakte Mara nach.

„Wir sind doch Figuren in einem Buch. Da ist alles möglich!“

„Wie recht du hast“, stimmte mir Vera lachend zu. „Es muss ja auch Vorteile haben.“


Allerdings war danach eine Weile Ruhe und nur hin und wieder beschwerte sie sich über meine Unaufmerksamkeit ihr gegenüber. Auch unterschwellige Anschuldigungen stehen auf dem Programm.

Vermutung 2: Nichtbeachtung

#protabrief_montag: Endlose Geschichte (oder gar eine Unendliche Geschichte?)

Manchmal frage ich mich, wieso die Erde keine Scheibe ist. Es wäre doch alles so viel einfacher, wenn es irgendwo ein Ende gäbe, oder? Das ist wie in diesem Buch, in dem ich feststecke. Kaum habe ich das Ende vor Augen und denke, alles wird gut, schreibst du eine Fortsetzung und der ganze Ärger geht wieder von vorne los! Was soll das?

#protabrief_montag: Unfaire Arbeitszeiten

Mal so eine generelle Frage an alle Autoren: Findet ihr es gerechtfertigt, dass wir – also „eure Figuren“, wie ihr so schön zu sagen pflegt – 24/7 arbeiten müssen? Wir bekommen weder Wochenende, Feierabend noch Urlaub. Nicht einmal nachts sind wir unbeobachtet! Stellt euch mal vor, man würde das mit euch machen!

#protagonistenplausch: (kein) Urlaub

Ich schlürft Kaffee: Und, wie verbringt ihr am liebsten euren Urlaub?


Kim: Urlaub? lacht Du weißt schon, dass wir Romanfiguren sind und irgendwie nie Urlaub bekommen!


Vera: Und du weißt, dass wir sozusagen bezahlten Urlaub bekommen. Im letzten Buch waren wir im Urlaub, während er über uns erzählt hat.


Ich: Stimmt genau. Ich wollte euch auch mal was Schönes gönnen. Ab und zu habt ihr euch das verdient. Ihr seid wirklich toll.


Dina: Aw, danke. Das ist lieb. Ich habe es sehr genossen. Außerdem würde ich meinetwegen durcharbeiten, solange ich nur bei meinem Tiago sein kann.


Kim: Also Urlaub nenne ich das nicht. Ja, wir waren im Ausland. Aber diese miese Tortur, bis ich dort war … ich will gar nicht dran denken. Fliegen ist der absolute Horror. Zudem mussten wir uns mit diesem Fluch herumschlagen. Egal, ob wir jetzt in Madrid, Çıralı oder zuhause in Ettlingen sind. Fluch ist Fluch, der ist überall beschissen.


Ich: Ihr habt ihn doch gelöst.


Kim: Und gleich den nächsten ausgelöst. Na danke auch!


Ich peinlich berührt zu Boden guckend: Das schon, aber dafür erlebt ihr auch viele tolle Sachen. Denke an deinen Auftritt, dass dein Lied jetzt im Radio gespielt wird.


Vera: Das stimmt. Und was für ein gutes Lied.


Kim: Danke. stopft sich mehrere Gabeln Kuchen hintereinander in den Mund und kaut.


Vera: Ich finde es schön so.


Dina: Ich auch. Ich kann mich absolut nicht beklagen.

#protabrief_montag: Vernachlässigungsbeschuldigung

Dear Niklas,

Ganz ehrlich. Ich finde es unverschämt von dir, dass du mich so vernachlässigt. Seit Wochen, inzwischen schon Monaten, schreibst du nicht mehr an deiner Reihe über mich weiter. Als ob diese „Der Ruf der Grizzlybären“-Bücher wichtiger sind als ich, nur weil schon ein Teil von ihnen veröffentlicht ist. Und dann speist du mich mit diesen Protastik-Geschichten ab, in denen ich von einer blöden Situation in die nächste renne. Das ist doch nicht fair!


Gefolgt von ziemlich frecher Kritik und weiteren Anschuldigungen.

Vermutung 3: Kritik und Eifersucht

#protabrief_montag: Kritik am Prolog

Juchhu, als ich erfahren habe, dass du dich endlich wieder um unsere Geschichte kümmerst, hätte ich einen Luftsprung machen können. Aber erst einmal will ich dich auslachen. Der Prolog zu unserem Buch ist einfach nur scheiße und von Anfang bis Ende unlogisch und unnötig. Beginne doch gleich mit mir! Wenn du den unbedingt drinlassen willst, wäre es wirklich schön, wenn du ihn grundlegend überarbeitest! Mir gefällt er jedenfalls absolut nicht. Versuche ihn bitte zu retten!

NaNoWriber also. Ich habe mich mal darüber erkundigt. Eine tolle Sache. Aber mir ist es eigentlich egal, was dich motiviert, Hauptsache du schreibst! In letzter Zeit kamst du ja nicht wirklich voran. Super, du hast es geschafft, selbst mal wieder ein Buch zu lesen! Aber mal ehrlich: Nennst du dich Autor, dass du lesen kannst? Nein, ich denke eher nicht! Du solltest schreiben! Ich möchte dich nur nochmal an den Prolog erinnern … Wann fängst du damit an?

Ich habe dich gestern gesehen, wie du an der Fortsetzung zu meiner Geschichte geplottet hast. Na endlich! Danke, das macht mich wirklich glücklich. Ich verstehe zwar nicht ganz, was diese Schneeflocken-Plotmethode sein soll, aber solange sie funktioniert, hab ich dich doch wieder lieb. Ich wünsche dir einen wunderschönen Tag und ein frohes Plotten. Noch hast du ja Zeit dafür, bevor dein Studium beginnt!

#protabrief_montag: Zimtbärwind

Zimtbärwind? Ich habe gerade erst die Geschichte gelesen, die du schon letzte Woche eingestellt hast. Erst mal ein dickes Lob. Wie süß ist diese Geschichte bitte? Aber wieso darf Rico auf diesen Bären treffen und nicht ich? Ich will auch sorglos und glücklich sein! Das ist echt unfair. Hoffentlich bist zumindest du sorglos!

Natürlich erfahre ich immer als Letzte von allem. Du studierst jetzt. Aha. Ich hoffe nur, dass du trotzdem noch zum Schreiben kommst. Gerade habe ich mir große Hoffnungen gemacht, da du endlich mit dem Plot für die Fortsetzung begonnen hast. Aber erstmal drücke ich dir die Daumen, dass es ein erfolgreiches Studium wird.

#protabrief_montag: Instagram-Pause

Wie, Pause? Also jetzt so komplett? Ich hoffe, das gilt nur für Insta. Mein Buch solltest du trotzdem schreiben! Apropos – wann fängst du damit endlich an? Erst erzählst du jedem, du schreibst fleißig einen Plot, dann passiert nichts. Na wunderbar! So kann ich mich absolut nicht auf dich verlassen! Wie stehe ich denn jetzt da? Wie doof abgestellt an einer Haltestelle ohne Bus. Kein Abenteuer, nur öde Langeweile! Und dann schlägst du mit einem Mal wieder zu und wirfst mich in eine ganze Stressfülle. Auf meine Bedürfnisse nimmst du wohl keine Rücksicht. Aber ich will ja nicht so sein: Ich wünsche dir eine schöne Pause. Mach halt nur nicht zu lange! Eine Schulpause geht auch nur 20 Minuten! (Das war ein Lehrer-Witz, extra für dich)

#protabrief_montag: Pfürungen beendet

Wuhuuu, die Prüfungen sind endlich rum. Also keine Ausreden mehr! Und denk bloß nicht, du kannst mit Insta so weitermachen wie vor deiner Pause. Du kümmerst dich gefälligst um mich und die anderen! Unser Abenteuer muss weitergehen. Das bist du uns schuldig nach dieser ganzen Wartezeit. Mir ist langweilig! Mach was!

Herzlichste Grüße und viel Motivation und Spaß am schreiben wünscht dir deine Lieblingsprota Kim P.

#protabrief_montag: Veröffentlichungen

Sapperlot, kaum passt man einen Moment nicht auf, haust du ein Buch nach dem anderen heraus. Herzlichen Glückwunsch zum neuen Abenteuer deiner Grizzly-Reihe „Der Ruf der Grizzlybären 02: Neue Freunde“. Uii, die Illustrationen sind auch wieder so unglaublich süß geworden. Tuula und Fabi sind wirklich tolle Illustratorinnen. Die würde ich an deiner Stelle mal kräftig loben! Aber wie ich dich kenne, hast du das sicher schon getan … Und dann diese goldige Geschichte mit dieser Maus: „Katzen gibt es doch gar nicht“ – haha! Aaaah, ich liebe das Bild. Wie knuffig! „Miezefeine Mausgeschichten“ ist nicht nur ein Titel. Die Geschichten sind wirklich miezefein!

#protabrief_montag: Noch mehr Veröffentlichungen

Jetzt wird's mir allmählich zu bunt. Ich freu mich ja, dass du so viel veröffentlichst, aber gleich vier Bücher in so kurzer Zeit? Meine Güte – wie soll ich da mit lesen hinterherkommen? Aber ich weiß ja, dass du da nicht wirklich was dafür kannst, du hast ja nur deine beiden Bücher (Grizzly 02 & FSJ-Blog) an einem festgelegten Datum herausgebracht. Dann kamen halt noch die beiden Anthologien dazu (Maus & Papa). Doch ein Gutes hat es: Je mehr Projekte du abhakst, desto besser kannst du dich um mich und meine Geschichte kümmern. Also, weiter so und bitte nicht mehr zu viele Projekte vor mir … Wären da nicht die Protastik-Geschichten, würde ich mich da noch vernachlässigt fühlen.




Richtig zu brodeln begann es allerdings mit der Geschichte des Crossovers, die wohl das Fass zum Überlaufen brachte.

Vermutung 4: Der letzte Rest zur Explosion

#protastiktag: Crossover

Fröhlich pfeifend lief ich durch den Park. Im Nachhinein hätte ich bereits da skeptisch sein müssen. Wer lief schon fröhlich pfeifend durch die Gegend? Ich, beantwortete ich mir diese Frage dann doch recht schnell.

Ohne weiter darüber nachzudenken marschierte ich weiter, einen großen Stapel Bücher in meinem Arm. Aus der Bibliothek hatte ich einige Bücher ausgeliehen, auf die ich mich schon sehr zu lesen freute.

„Achtung!“, schrie da plötzlich jemand. Kurz darauf rannte ein Kind frontal in mich hinein. Wir fielen zu Boden, die Bücher lagen offen verstreut auf dem Wegchen. Hoffentlich waren sie nicht kaputt, war mein erster Gedanke. Um meine Knie, die hart auf dem Schotterweg aufschlugen machte ich mir keine Gedanken. Mit dem Gesicht landete ich glücklicherweise relativ unbeschadet in einem Buch.

Empört rappelte ich mich auf. „Sag mal, geht‘s noch? Hast du etwa keine Augen im Kopf?“, schnauzte ich ungehalten.

„Oh nein, oh nein, es tut mir ja so leid“, wimmerte das Kind. Eilig sammelte es meine Bücher ein und half mir auf.

Seine übergroßen Füße fielen mir erst jetzt auf. Okay, ein Kind mit Behinderung wollte ich nun wirklich nicht anschreien. „Schon gut“, sagte ich daher, „aber pass das nächste Mal besser auf, ja?“

„Deine Knie bluten“, bemerkte das Kind. Schuldbewusst schaute es mich an. „Soll ich dich in meinen Hügel bringen und verarzten?“, bot es an.

Auf Blätter um die Wunde wickeln und Sandkuchen essen hatte ich keine Lust, daher lehnte ich schnell ab.

„Aber ausruhen solltest du dich! Wir Hobbits wissen, wie man sich entspannt.“

Ungewollt musste ich auflachen. Herrje, dieses Kind schien wirklich tief in seiner Welt versunken zu sein, dass es sich für einen Hobbit hielt. Doch als ich mich umblickte und meilenweit kein Haus, kein Auto und nicht einmal einen Hund erblickte, wurde ich skeptisch. Endlos grüne Wiesen erstreckten sich vor mir wie ein wogendes Meer so weit mein Auge reichte. Die malerische Landschaft faszinierte mich. War es wirklich möglich, im Land der Hobbits zu sein? Wie konnte das sein?

„Ich bin Bilbo, Bilbo Beutlin. Und du?“

„Kim“, brachte ich vor Verblüffung gerade noch heraus. Denn mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Unter den ausgeliehenen Büchern war unter anderem Tolkiens „Herr der Ringe“ gewesen.

„Wenn du schonmal hier bist, Kim, begleitest du mich nach Mordor?“, wollte er unerwartet wissen.

„Bitte was?“, kreischte ich auf. „Ich bin doch nicht lebensmüde.“

„Bitte“, flehte der Hobbit mit großen Augen.

„Nein, auf keinen Fall!“, wollte ich schreien, doch stattdessen lächelte ich nur selig. Eine unsichtbare Kraft schien mich zu lenken. „Klar, kein Problem“, hörte ich mich sagen. Ich schien die Kontrolle über meinen eigenen Körper verloren zu haben. Was ich gesagt hatte und was ich eigentlich hatte sagen wollte, waren zwei komplett unterschiedliche Versionen.

Mit seinem großen Füßen war es für ihn ein Leichtes, über die grünen Hügel zu laufen. Ich hingegen hatte da ziemliche Schwierigkeiten.

„Wir werden zuvor bei Gandalf vorbeischauen, er soll ins helfen“, informierte mich Bilbo.

„Das will ich dir geraten haben!“, wollte ich ihn anschnauzen. Stattdessen meinte ich mir engelsgleicher Stimme: „Ach, denkst du nicht, wir schaffen es auch allein?“ Ich bekam die Krise. Wieso sagte ich das bloß?

Bilbo zögerte merklich. Als dann auch noch Gollum auftauchte und seinen „Schatz“ suchte, war es völlig um mich geschehen.

„Ich hab deinen Schatz. Fang mich doch“, hörte ich mich sagen. Augenblicklich bekam ich es mit der Angst zu tun, als Gollum augenblicklich die Verfolgung aufnahm.

„Was tust du?“, brüllte Bilbo panisch.

„Das wüsste ich selbst gerne. Keine Ahnung, wieso ich so etwas mache“, wollte ich schreiben, doch stattdessen formte meine Zunge die glücklichen Worte: „Mach dir keine Sorgen, ich habe alles unter Kontrolle.“

In diesem Moment stolperte ich. Diesmal schlugen meine Knie hart auf und ich spürte direkt, wie Blut meine Beine hinablief. Ich war aus dem Buch herausgefallen und zurück im Ettlinger Watthaldenpark, in dem meine unschöne Reise begonnen hatte.

Die Bücher lagen rings um mich verstreut. Neben mir saß ein Kind mit Schürfwunden und weinte. Es war in mich hineingerannt.

„Was war das für ein absurder Traum. Du blödes Kind!“, fauchte ich. „Deinetwegen wäre ich fast umgekommen!“

Mit großen Augen guckte mich das Kind an. Zu meiner Verblüffung hatte es aufgehört zu weinen. Stattdessen holte es tief Luft und schrie aus vollem Hals nach seiner Mama, die kurz darauf vor mir stand und drohte, mich wegen Körperverletzung anzuzeigen. Aus Angst, meine Zunge würde wieder etwas anderes sagen als ich wollte, schwieg ich lieber und ließ den Groll der Glucke über mich ergehen.

„Ich werde einen Beschwerdebrief schreiben, darauf können Sie sich verlassen! So kann es nicht weitergehen!“, polterte die Mutter und zog ihr inzwischen heulendes Kind am Arm mit sich. „Da, wegen Ihnen heult mein Kind!“

Wohlweislich gab ich auch darauf keine Antwort, doch ihre Androhung mit dem Brief hatte mich auf eine Idee gebracht, eine sehr gute sogar …

#protabrief_montag: "Einladung"

Bevor ich dich schon in diesem Brief rund mache, hebe ich es mir für unser baldiges Treffen auf, um alles persönlich zu klären. Und keine Ausreden, dass du keine Zeit hast! Wir treffen uns in Ettlingen in einem Café, um unseren Streit zu schlichten. Die genaue Uhrzeit und Adresse findest du auf der Rückseite dieses Briefs. Ich weiß ja, dass du immer gleich alles postest. Es braucht keiner wissen, wo es stattfindet.

PS: Überleg dir gleich mal ein paar Ausreden! Du wirst sie brauchen!

Streit-Gespräch

„Da bist du ja endlich!“, fuhr mich Kim an. Kein Hallo, kein Lächeln, nur Frust.

Kim, Dina und Vera saßen bereits um ein Tischchen im vereinbarten Café in Ettlingen, um ein paar Sachen zu klären. Mir war schleierhaft, was sie damit gemeint hatte, als ich ihren Brief bekam. Ich wollte mich überraschen lassen.

„Hey, schön, dass du da bist“, freute sich Vera und umarmte mich zur Begrüßung. Auch Dina begrüßte mich freudig mit einer Umarmung. Dass Kim gerade so motzig war, verstanden sie selbst nicht. Sie waren davon ausgegangen, sich einfach ganz normal mit mir zu treffen. Nun ja, sie hatten schließlich auch keinen Brief von Kim erhalten.

„Kim, was ist denn los?“, wunderte sich Dina. Sie begutachtete ihre Freundin, die einige Karteikarten in der Hand hatte.

„Was sind das für Karten?“, wollte Vera wissen.

„Ich moderiere unser Streitgespräch!“, maulte sie.

„Streitgespräch?“, stießen Dina und Vera verwundert aus.

„Ja, deshalb sind wir hier. Ich will streiten!“

„Also solltest du lieber nicht moderieren. Das übernehme ich. Der Moderator sollte unparteiisch sein. Da ich bei der Presse arbeite und viele Interviews führe, kenne ich mich damit aus.“ Vera nahm ihr kurzerhand die Karteikarten aus der Hand, was Kim einen wütenden Schrei entlockte.

„He, das sind meine! Die brauche ich noch!“, fauchte sie.

„Ja, ja. Du bist ja schon richtig in Fahrt“, stellte sie leicht belustigt fest. „Ich orientiere mich einfach an deinen Karteikarten und werde dazu Fragen stellen.“

„Ich finde die Idee gut“, wandte ich ein.

„Deine Meinung zählt hier nicht“, gab Kim harsch von sich. „Ich finde die Idee akzeptabel.“

„Nun denn, wollen sich die Beteiligten erst einmal vorstellen?“, eröffnete Vera gekonnt das Streitgespräch, als sei sie im Fernsehen.

Glücklicherweise war das Café so gut wie leer, sodass wir von dieser peinlichen Situation keine Zeugen hatten.

„Fang du an, schließlich bist du hier das Problem“, murrte Kim.

„Boah, Kim“, lachte Dina entrüstet auf, „geht‘s noch?“

„Alles gut. Ich stelle mich vor: Ich heiße Niklas und habe das Problem, dass ich nicht weiß, welches Problem ich haben sollte.“

„Pah!“, kommentierte Kim verächtlich.

„Ruhe, du stellst dich erst mal vor, bevor du meckerst!“, wies Vera sie zurecht. Auch sie wusste nicht, was Kims Problem eigentlich war.

„Ich bin Kim und werde einfach von allen benachteiligt!“, klagte sie.

„Okay, nun kennen wir beide Seiten“, schlüpfte Vera perfekt in die Moderationsrolle. Sie konnte es wirklich gut. „Auf der einen Seite haben wir Niklas, der gar nicht weiß, weshalb er streiten soll und auf der anderen Seite haben wir Kim, die es gar nicht abwarten kann, den Streit zu entfesseln.“ Vera las sich die erste Karteikarte durch, dann setzte sie eine professionelle Miene auf und wandte sich an Kim: „Mir ist zu Ohren gekommen, dass …“

„Ist es nicht! Du hast mir die Karteikarten geklaut“, fiel ihr Kim direkt ins Wort.

„Boah, halt doch mal die Klappe, bis du dran bist!“, fuhr Dina sie an. Sie verstand sich wohl in der Rolle der Streitschlichterin.

„Mir ist zu Ohren gekommen, dass Niklas, der unter anderem Autor unserer Abenteuer ist, zu viele Projekte hat und uns völlig vernachlässigt. Hä, das stimmt doch gar nicht. Oh, das war unprofessionell. Ich muss ja unparteiisch sein. Niklas, was sagst du zu dieser Anschuldigung?“

„Darf ich es nicht erst einmal richtig ausführen?“, klagte Kim.

„Bist du aufgerufen?“, wollte Dina streng wissen.

„Wenn ich es richtig verstanden habe, werde ich angeklagt, da ich zu wenig Zeit für euch habe?“, fasste ich für mich zusammen.

„Genau, und jetzt liefer uns mal ne gute Ausrede!“, stieß Kim aufgebracht aus.

„Ich habe aktuell einfach viele Projekte. Und ganz so nebenbei studiere ich ja auch, falls du das vergessen hast!“

„Jetzt nicht ablenken!“, ermahnte mich Kim.

„Nun ja, ich glaube, Kims Hauptproblem ist gerade, dass ich zwei Bücher veröffentlicht habe, die noch immer nicht von ihr handeln.“

„Ganz genau!“

„Das kann ich ganz einfach erklären: Mit meiner „Der Ruf der Grizzlybären“-Reihe hatte ich schon begonnen, bevor ich euch überhaupt kennengelernt habe. Daher möchte ich diese Reihe auch zuerst abschließen.“

„Eine solide Begründung“, fand Vera. „Willst du etwas dazu sagen, Kim?“

„Ja! Nicht genug, dass du es als Trilogie schreibst. Nein, dann kommt noch ein Sonderband und ich weiß, dass du auch noch mindestens ein Begleitbuch dieser Reihe in der Hinterhand hast. Wieso schreibst du nicht an unserer Reihe weiter? Wer braucht schon ein Tausend…“

„Kim!“, unterbrach ich sie schnell. „Dieses Projekt ist noch geheim! Ich will nicht, dass du es schon ausplapperst! Ich verstehe deinen Ärger, aber ihr seid eben nicht allein auf dieser Welt!“

„Hm, sachlich und fair“, fand Vera. Ich konnte ihr ansehen, dass sie sich nur ungern an Kim wandte, um ihre Meinung zu hören. Doch da fand sie eine gute Lösung: „Stellen wir uns kurz vor, tatsächlich im Fernsehen zu sein, gibt es an den spannenden Stellen immer eine Pause. Ich glaube, die können wir alle ganz gut gebrauchen, bevor die großen Geschütze aufgefahren werden.“

„Eine gute Idee“, ließ ich mich dankbar auf ihren Vorschlag ein.

„Nein, ich bin gerade so schön wütend!“, war Kim sofort dagegen.

„Ich bin auch dafür“, mischte sich Dina ein, „Und damit bist du überstimmt, Kim.“

„Dann machen wir eben diese beschissene Pause. Ich hasse Pausen! Sowohl im Fernsehen als auch im echten Leben. Was soll man so lange machen? Werbung gucken? Ich hasse Werbung!“

„Ich auch, aber ich denke, in diesem Fall kann sie die erhitzten Gemüter etwas beruhigen!“, erklärte Vera ihren Vorschlag. Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl nach hinten und schloss die Augen. So verharrte sie, während ein seliges Lächeln auf ihren Lippen lag.

Kim hingegen saß da und hatte ein grimmiges Gesicht gezogen, als sei gerade jemand gestorben. „Ich hasse Pause!“, maulte sie.



„Herzlich willkommen zurück“, ergriff Vera nach fünf Minuten das Wort, in denen sie sich auf ihrem Stuhl zurückgelehnt und die Sonne genossen hatte.

„Na endlich! Wird ja auch Zeit“, stöhnte Kim. „Ich dachte schon, du bist eingepennt!“

„Gerade sind Kim und Niklas anwesend, die darüber debattieren, wer nun wen vernachlässigt. Eingeladen wurde Niklas auf die freundliche Nachricht von Kim, während sie auch ihre Freundinnen im Unwissen gelassen hatte.“ Vera hatte den Brief, den ich von Kim bekommen hatte, inzwischen gelesen. Ich hatte ihn ihr zugesteckt, während Kim wutentbrannt auf die Toilette gestapft war. Diesen hielt sie nun vor Kims Nase und schaute sie skeptisch an. „Kannst du uns das erklären?“

Bevor ich dich schon in diesem Brief rund mache, hebe ich es mir für unser baldiges Treffen auf, um alles persönlich zu klären. Und keine Ausreden, dass du keine Zeit hast! Wir treffen uns in Ettlingen in einem Café, um unseren Streit zu schlichten. Die genaue Uhrzeit und Adresse findest du auf der Rückseite dieses Briefs. Ich weiß ja, dass du immer gleich alles postest. Es braucht keiner wissen, wo es stattfindet.

PS: Überleg dir gleich mal ein paar Ausreden! Du wirst sie brauchen!

„Was geht denn jetzt ab? Habt ihr euch verbündet? Schonmal was von Briefgeheimnis gehört?“, empörte sich Kim.

„Schonmal was von Freundschaft gehört“, konterte Dina direkt.

„Um die Frage von vorhin erneut aufzugreifen: Kim beklagt zu viele Veröffentlichungen, in denen sie nicht vorkommt“, versuchte Vera auf das Thema zurückzuführen und hatte tatsächlich Erfolg damit. Kim ging direkt darauf ein.

„Ich freue mich ja, wenn du andere Bücher schreibst“, ergriff Kim direkt das Wort, die froh war, diese Pause überstanden zu haben. „Aber ich komme erstens kaum hinterher, die alle zu lesen, dann auch noch diese beiden Anthologien, die du …“

„Warte, das will ich gerne erklären“, unterbrach ich sie unsicher. „Diese beiden Anthologien waren ja gar nicht geplant. Mein Buch Der Ruf der Grizzlybären 02: Neue Freunde hätte schon viel früher herauskommen sollen, aber es gab mehrere Faktoren, die sich eben verzögert haben. Mein Ziel war eben nur, an einem 27. dieses Buch zu veröffentlichen. Das andere Buch FSJ-Blog 2022/23: Mein Freiwilliges Soziales Jahr musste am 19. April erscheinen, da ich dort vor einem Jahr meine erste Lesung halten durfte und ich es da herausbringen wollte. Sonst hätte ich noch ein Jahr warten müssen.“

„Aha“, kommentierte Kim, „und die anderen beiden Bücher?“

„Auf die beiden Anthologien hatte ich keinen Einfluss. Es war mir selbst fast zu viel, aber eben nicht zu ändern. Sie hatten eben ihre Veröffentlichungsdaten und ich meine. Da wollte ich nichts bei mir verschieben.“

„Das ist doch eine gute Begründung“, meinte Dina.

„Geht so! Er hätte ja nicht bei diesen Anthologien mitmachen müssen!“

„Ey, das ist fies“, beklagte ich mich.

„Stopp, bevor wir wirklich streiten. Die nächste Frage … oh.“ Vera schien davon selbst verblüfft zu sein. „Kim beklagt, dass ich und Dina einen festen Freund haben und sie wieder einmal nicht. So wird sie ja zweimal vernachlässigt. Du schreibst gerade nicht an unserem Buch weiter und sie hat keinen Freund.“

„Ihr kommt doch in den Protastik-Geschichten vor“, verteidigte ich mich. „Zum Freund-Problem kann ich leider aktuell nichts sagen.“

„Stimmt, vor allem kommst du ja in fast jeder Protastik-Geschichte vor, Kim“, fiel Dina auf. „Du darfst sie sogar meist aus deiner Sicht erzählen – auch wenn manchmal nicht jeder wissen sollte, was in deinem Kopf so vorgeht“, fügte sie noch etwas leiser hinzu.

„Ja, aber Dina bekommt die Lovestorys – alle!“

„Die sind voll kurz.“ Dina wusste nicht, wo das Problem liegen sollte.

„Aber voll schön.“

„Du hast halt keinen Freund“, meinte sie und guckte dabei beschämt zu mir.

„Ey“, maulte Kim.

„Na ja, das ist eben die Wahrheit“, fand auch Vera.

„Außerdem ändert sich das ja bald“, verplapperte ich mich. Ich hatte einfach diese Diskussion beenden wollen.

Kim bekam große Augen. „Echt?“

„Vielleicht, wenn du dich nicht zu doof anstellst und ihn vergraulst“, argumentierte ich. „Und ich hoffe, dass du weißt, dass du fast meine Lieblingsfigur bist? Deshalb bist du ja auch fast immer dabei!“

„Echt?“ Das schien Kim zu verblüffen. Sie wurde tatsächlich rot. „Danke … aber war ich das schon immer?“

„Willst du das wirklich wissen?“, fragte ich verzweifelt nach.

„Ja!“

„Nein, anfangs mochte ich doch nicht wirklich. Aber dann hast du dich Seite für Seite mehr zu meinem Liebling entwickelt“, gestand ich. „Und weißt du auch, warum? Du bist so verrückt, wie ich manchmal auch bin. Wir beide haben ein inneres Kind. Zugegeben, deines hat deutlich mehr Kontrolle über dich.“

„Aha.“ Kim überlegte einen Moment. Dann fiel sie mir um den Hals. „Entschuldigung, dass ich so einen Aufstand veranstaltet habe. Kannst du mir verzeihen?“

„Klar, wenn du mir versprichst, dass du mich auch andere Projekte noch machen lässt“, stellte ich zur Bedingung.

„Na gut“, ließ sie sich darauf ein. Doch ich merkte, wie ungern sie zustimmte.

„Ausgezeichnet, das ist doch ein schönes Ende“, fand Vera. „Es war mir eine Freude, euren Streit zu moderieren.“ Die anderen Karteikarten ließ sie ungesehen verschwinden, wofür ich ihr wirklich dankbar war. Ich wollte nicht wissen, was Kim noch alles für Streitpunkte aufgelistet hatte.

„Gruppenumarmung!“, rief Dina freudig.

„Und zur Feier des Tages lade ich euch alle auf ein Eis ein“, schlug ich vor.

„Ich will mit extra Sahne und Streuseln“, bestellte Kim direkt, was ich nur mit einem Nicken lachend so hinnahm. Endlich war dieser Streit aus der Welt geschafft. Zumindest hoffte ich das …

#lovestoryzeit: Kims Rache

„Tiago“, rief ich. Irgendetwas stimmte nicht. Ich wusste nicht, was, doch es fühlte sich irgendwie anders an.

„Der kann gerade nicht, ich vertrete ihn.“ Zu meiner Verblüffung tauchte Kim plötzlich auf, wo gerade noch Tiago gestanden hatte. Da begriff ich. Kim! Kein Wunder, dass es sich anders anfühlte.

„Was machst du denn hier?“

„Ich wollte auch mal in einer Lovestrory mitspielen!“

„Das geht nicht, heute geht es nämlich um eine Liebeserklärung, nicht um dich!“, wollte ich ihr klarmachen. „Außerdem geht es in den Lovestorys um Tiago und mich. Du hast darin nichts zu suchen. Ich dachte, unser Streit wäre vergessen.“

„Tja, nicht ganz.“ Kim zuckte mit den Schultern. „Ich wollte eben auch mal eine Lovestory ausprobieren. Aber irgendwie ist das hier langweilig. Die ist ja so kurz. Da passiert gar nichts! Wie soll ich denn da richtig in Fahrt kommen? Zweihundertfünfzig Wörter sind ein Witz. Das ist mein erster Satz!“

„Na dann merkst du doch, dass das hier nicht das richtige Format für dich ist. Für Tiago und mich reicht es völlig. Wir nehmen uns nicht so wichtig. Bitte verschwinde, diese Geschichte gehört Tiago und mir. Du zerstörst ihren Zauber. Und wie du richtig erkannt hast: In dieser Geschichte muss man schnell auf den Punkt kommen. Daher habe ich nicht viel Zeit!“

„Ich merke, du willst mich loswerden“, begriff Kim.

„Sehr gut erkannt! Zudem versaust du das ganze Konzept. Mit deinen wirren Farbwünschen – wieso diese schreckliche Farbkombi überhaupt berücksichtigt wird – versaust das ganze Konzept!“

„Ich habe eben Einfluss … und Geschmack! Ich habe sogar die Schriftart geändert, haha!“

Das war mir direkt aufgefallen. Schließlich fühlte es sich komplett anders an, in dieser Schrift die Geschichte zu erzählen. Ihre rauen Kanten kratzten überall. Aber eine Sache störte mich noch mehr: „Und wieso eine Meerjungfrau auf dem Titelbild? Das hat doch überhaupt nichts mit dem Thema zu tun! Die Silhouette sollte schon einigermaßen passen!“

„Ach, heute ist eben alles anders“, lachte Kim, „auch überschreite ich bewusst die übliche Länge, da du es vorhin so schön erwähnt hast. Ich will alles durcheinanderbringen!“



„Ha, sogar eine Leerseite kann ich einfügen, ohne dass du etwas tun kannst!“ Ihr Gesicht verzog sich zu jener Grimasse, die jeder Bösewicht im Film aufsetzte, wenn sein abscheulicher Plan aufging. „Und dann auch noch Seite 6, haha. Denn 6 ist die Zahl des Teufels: 6-6-6!“, rief sie und zischte dabei abscheulich, was mir regelrecht Angst einjagte.

„Wieso tust du das?“, heulte ich fast auf. „Die Geschichte gehört mir und Tiago! Wieso zerstörst du das einfach so?“

„Da siehst du mal, ich bin eben die mächtigste Figur! Du oder Vera wären dazu nie imstande!“ Kim lachte wie besessen. „Ich habe die Macht! Und sei froh, ich hätte das ganze Design über den Haufen werfen können!“

„Kim, verschwinde!“, schrie ich aufgebracht. „Du bist vollkommen übergeschnappt!“ Ich wusste mir nicht mehr zu helfen. Was war bloß in meine Freundin gefahren, dass sie mich schon in meiner privaten Geschichte heimsuchte? Reichte es nicht aus, dass sie uns sonst aufregte?

Gehässig grinsend verließ Kim endlich die Geschichte. Im selben Moment tauchte Tiago auf. Denn hier war jeweils nur Platz für zwei Figuren. Da hatte sie doch tatsächlich meinen Freund für einen Moment rausgekickt. Unfassbar!

„Tiago, was hat sie mit dir gemacht, geht es dir gut?“, wollte ich wissen, als er auf mich zutaumelte.

Er wollte den Mund aufmachen, zu sprechen, doch es kam kein Laut heraus. „Kim, du Monster!“, brüllte ich. Sie hatte bewusst die Geschichtenlänge so stark überschritten, sodass für Tiago keine Wörter mehr übrig waren.

„Tia…“, krächzte ich, da waren auch meine Wörter vollständig aufgebraucht. Kim hatte es tatsächlich geschafft, diese Geschichte komplett zu zerstören. Und ich hasste sie dafür!



„Da bin ich nochmal“, kicherte sie böse. „Was ich will? Ja, ich habe noch die Macht zu sprechen und ich kann deine Gedanken lesen. So mächtig bin ich!“ Erneut lachte sie. „Ich wollte sichergehen, dass auch die letzte Seite gefüllt ist und es nicht unerwartet ein gutes Ende nimmt!“ Damit verschwand Kim und überließ mich meinem Schicksal.

#protabrief_montag: Dinas Verzweiflung

Niklas, hilf mir! Ich bin verzweifelt! Vielleicht hast du Kims Wutausbruch bereits mitbekommen. So geht es auf keinen Fall weiter. Ich weiß mir nicht mehr zu helfen. Es kann so nicht weiter gehen, dass sie ihre Laune plötzlich an mir und Tiago auslässt. Normalerweise bin ich wirklich genügsam und halte es für übertrieben, einen Brief zu schreiben, da ich dir vertraue, aber gerade steht die Welt echt kopfüber! Wir müssen uns noch einmal treffen – ohne Kim! – zu einer Krisensitzung … Vera weiß bereits Bescheid.~ Dina

Chatverlauf mit Kim

Nach Dinas verzweifeltem Brief konnte ich nicht lange warten. Zwar wollte ich mich mit Dina und Vera zu einer Krisensitzung treffen, aber da es noch frisch war, wollte ich mich sofort drum kümmern und mit Kim schreiben. So geht es auf keinen Fall weiter!

Außerordentliche Krisensitzung

Mit Tränen in den Augen empfing mich Dina und gab ein niedergeschlagenes „Hallo“ von sich, gefolgt von einem Schluchzen. So traurig erkannte ich die sonst so lebensfrohe und glückliche Dina kaum wieder.

Dina, Vera und ich hatten uns zu einer spontanen Krisensitzung verabredet. Was Kim geleistet hatte, konnte ich unmöglich gutheißen. Sie war einfach in eine fremde Geschichte eingedrungen – in die Lovestory von Tiago und Dina – und hatte diese völlig zerstört. Das stand keiner Figur zu! Als mich Dinas verzweifelter Brief erreicht hatte, hatte ich noch an selben Abend Kim geschrieben. Zwar schien sie sich inzwischen etwas beruhigt zu haben, jedoch wusste ich nicht, was sie noch im Schilde führte.

„So kann es unmöglich weitergehen“, wetterte Dina. „Das war ein persönlicher Angriff! Da taucht diese Furie in Tiagos und meiner Geschichte auf und zerstört komplett alles. Es war grauenvoll!“

„Ich habe bereits mit Kim geschrieben“, teilte ich ihr mit.

„Und?“ Entmutigt schaute sie mich an.

„Wir haben uns halbwegs versöhnt … glaube ich. Sie meinte, sie will sich bei dir entschuldigen.“

„Hat sie tatsächlich, aber nicht sonderlich herzlich“, nörgelte Dina. Dann warf sie ihre Haare über die Schulter und verstellte ihre Stimme: „Hey, Dina, sorry, aber mir war danach. Musste eben sein. Nimm es nicht persönlich.“

„Das gibt’s doch nicht!“, zischte Vera, die sonst immer die Ruhe bewahrte. Auch ihr setzte Kims Laune ordentlich zu. „Die hat echt nen Knall!“

„Und wie! Wie ein Gewitter zwischen zwei Bergen: mit ordentlich Nachhall!“ Dina schüttelte fassungslos den Kopf.

„Deshalb ja diese Krisensitzung, nehme ich an“, meinte ich.

„Genau. Wir erhoffen uns, dass wir eine Lösung finden“, teilte mir Dina mit brüchiger Stimme mit. „Vielleicht kannst du sogar deine Follower nach Rat fragen. Möglicherweise haben sie Tipps für uns oder sogar einen ähnlichen Fall erlebt und können aus Erfahrung sprechen.“

„Eine gute Idee“, fand ich. „Ich kann gerne mal nachfragen. Die Leute auf Insta, vor allem in der Bookbubble, sind super hilfsbereit und herzlich. Da findet sich bestimmt der ein oder andere Tipp.“ Ich war zuversichtlich.

„Verzweiflung macht erfinderisch“, seufzte Vera, „aber einen Versuch ist es wert.“

Ich liebte es jetzt schon, wie engagiert sie dabei waren und mitfieberten, wie Kims Rache ausgehen wird. Dafür möchte ich ihnen von ganzem Herzen danken, es macht wirklich großen Spaß!

Hoffnungsvoll zog ich mein Handy aus der Tasche und erstellte einen Beitrag. Kurz schilderte ich die Situation, wie Kim uns seit geraumer Zeit tyrannisierte, dann drückte ich auf Teilen und schickte es an die Social-Media-Welt hinaus.

„Und jetzt heißt es abwarten“, murmelte Dina. „Danke, dass du uns hilfst …“

Lagebesprechung

„Mädels, haltet euch fest. Mich haben tolle Kommentare erreicht, die ich euch unbedingt vorlesen muss!“ Noch einmal hatte ich mich mit Dina und Vera getroffen, um das Drama mit Kim endlich zu beenden. Ihnen und auch mir wurde es allmählich zu lange.

„Dann lass mal hören.“ Vera richtete sich auf. Ihre Neugier war groß.

„Ich bin so dankbar, dass die Menschen so toll und hilfsbereit sind. Großartig.“ Dina wirkte erleichtert.

„Dann wollen wir doch mal starten.“ Ich klickte die Kommentare auf und las den ersten Vorschlag vor:

@christinamariehuhn Kim braucht Urlaub am Meer und einen hübschen Menschen, mit dem sie mal gut abhängen kann.

Dina lachte empört auf. „Die dreht komplett am Rad und soll dafür auch noch belohnt werden? Ich wäre eher für Klapse!“

„Ich sehe es tatsächlich wie Christina“, wandte ich ein. „Vielleicht ist Kim einfach nur gestresst und muss sich entspannen. Das hilft ihr bestimmt.“ Zumindest war so meine Hoffnung. Voll Zuversicht las ich den nächsten Kommentar vor:

@lektorat.fernweh Klasse. Vielleicht könnte Kim eine eigene einmalige Kurzgeschichte bekommen, in der sie zeigt, was sie kann. Dafür hält sie sich in der Zukunft aus den Geschichten anderer.

„Finde ich gut, solange sie sich von mir, Tiago und der Lovestory fernhält“, meinte Dina direkt.

„Nur muss ich diese Geschichte schreiben …“, gab ich stöhnend zu bedenken. „Aber prinzipiell finde ich diese Idee wirklich großartig.“

„Keine Sorge, wir helfen dir dabei. Ich wollte schon immer mal eine Geschichte schreiben, in der ich selbst vorkomme. So, wie du es gerade schreibst. Das fühlt sich sicher total abgefahren an.“ Vera schaute mich mit leuchtenden Augen an und zückte ihren Notizblock.

„Und ob. Abgefahren trifft es recht gut“, musste ich ihr zustimmten. „Es ist spannend, aber auch sehr komisch. Die allererste Geschichte, in die ich mich selbst mit eingebaut habe, fühlte sich mehr als seltsam an.“

„Das glaube ich dir.“ Dina überlegte. „Aber zurück zur Geschichte: Vera du wirst darin nicht vorkommen. Der Vorschlag war ja, eine komplett eigene Geschichte für Kim zu konstruieren.“

„Auf einer einsamen Insel oder was? Es braucht ja schon mehr als nur eine Figur in einer Geschichte, findest du nicht? Mit wem soll Kim sonst reden?“, fragte Vera.

„Stimmt, daran hatte ich gar nicht gedacht“, fiel Dina auf. „Auf jeden Fall könnten wir beide Ideen verbinden: Urlaub am Meer, in dem sie einen hübschen Menschen trifft – und dann in einer eigenen Kurzgeschichte ohne uns.“

„Es gibt ja nicht nur uns“, meinte ich. „Jeder von uns kann eine Figur erfinden und zu Kim schicken. Das ist mega spannend. Das macht euch sicher genauso viel Spaß wie mir. So kann sie neue Leute treffen und wir haben Abstand von ihr.“

„Vor allem finde ich den Satz ‚Dafür hält sie sich in Zukunft aus den Geschichten anderer‘ sehr sympathisch. Das hoffe ich sehr“, betonte Vera.

„Ah, Ursel stimmt uns auch zu“, erkannte ich und las den letzten Kommentar vor.

@ursel.schmid.schreibt Unglaublich, diese Figuren mit ihrer ganz eigenen Idee. Stephanies Idee finde ich gut, vielleicht braucht die mal Raum, um ihre eigene Geschichte auszuschmücken.

„Großartig, so machen wir‘s“, beschloss Vera und machte sich Notizen. Die erste Seite war inzwischen schon fast vollständig beschrieben.

Ich war gespannt, wo die Ideen hinführen würden. „Auf jeden Fall sollten wir so den Streit ein für alle Mal beenden können! Ich habe echt keinen Bock mehr. Sorry, für die Wortwahl, aber ist einfach so. Das hat sich viel zu lange gezogen.“

„Und ob, es war viiiiel zu lange!“, pflichtete mir Dina bei.

„Uh, ich habe eine Idee“, quiekte Vera auf und ließ uns endlich an ihren Notizen teilhaben.“

„Lass hören!“ Dina und ich waren gespannt.

„Der Juni ist doch der Pridemonth. Letztes Jahr interviewte ich doch einige Menschen auf dem CSD und auch Kim hatte ihr Glück versucht. Was haltet ihr davon, wenn sie einen Wagen anmalt? Das gefällt ihr sicherlich. Kim ist doch so kreativ.“

„Eine großartige Idee. Aber wir dürfen ihr nicht sagen, dass es unsere Idee war“, entschied ich.

„Sie soll es für ihre eigene Idee halten“, war Dina derselben Meinung. „So ist sie glücklich und hoffentlich zukünftig wieder die normal-nervige Kim.“

„Ganz bestimmt!“

Die Erleichterung fiel von uns wie eine zentnerschwere Last. Endlich hatten wir eine Lösung gefunden. Jetzt mussten wir sie nur noch in die Tat umsetzen.


Doch zum Glück scheint es auch ein Ende zu nehmen, denn von da an verhielt sich Kim wieder ganz normal und freidlich. Und das bleibt hoffentlich noch lange so ...

 
 
 

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