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29.02.

Vera Sturm

Die ‚Regierung‘ deiner Welt will den 29.02. zum Feiertag ausrufen und sucht einen Anlass. Wofür entscheiden sich deine Figuren?

„Ich will einen neuen Feiertag“, teilte uns Kim urplötzlich mit und klappte den Kalender auf. Mit dem Finger raste sie über die Zeilen, um einen geeigneten Tag auszusuchen.

„Einen neuen Feiertag?“ Verblüffung lag in meiner Stimme. „Kim, so einfach geht das nicht!“

„Wieso? Jesus wird in einem Stall geboren – zack, wir feiern Weihnachten. Jesus steht auf – zack, wir feiern Ostern. Der hat doch nichts dazu beigetragen …“

„Naja, er ist eben Jesus“, meinte Dina.

„Und? Wenn ich aufstehe, gibt es keinen, der mir auch nur im Geringsten seine tiefe Hochachtung zeigt.“

„Ich kann dir meine tiefe Verachtung schenken“, wandte Dina ein.

Uff, das war fies, doch Kim schien es nicht verstanden zu haben. Sie lächelte lediglich und blätterte weiter durch den Kalender.

„Ich hab‘s, der 29. Februar“, rief sie begeistert.

„Aha, wieso ausgerechnet da?“, wunderte ich mich. „Dir ist schon klar, dass es den 29. nur alle vier Jahre gibt.“

„Ja, das muss man doch feiern!“

„Das Schaltjahr feiern? Absurd“, kommentierte Dina. „Das wäre ja, als würdest du eine Belohnung kommen, dass du einmal im Monat auch freitags in die Schule gehst.“

„Das muss ich meinem Lehrer vorschlagen. Eine großartige Idee.“ Kim war begeistert – ich war verwirrt.

„Zurück zum 29.“, sagte ich. „Was willst du da feiern?“

„Na, das Schaltjahr. Wir haben einen Tag länger im Jahr. Wieso kann man den nicht zum Feiern nutzen? Wisst ihr wie beschissen das ist, wenn man diese Chance verpasst? ‚Hey, du bekommst einen Tag mehr Urlaub. Hast du schon Pläne?‘ – ‚Ja, ich will arbeiten.‘ So dumm ist doch keiner!“

„Du hast schon recht“, gestand ihr Dina ein, „aber du kannst trotzdem nicht einfach beschließen, dass es plötzlich ein Feiertag wird. Also für dich theoretisch schon, aber halt nicht, dass es irgendwie gültig wäre.“

„Schade!“ Kim sah ziemlich enttäuscht aus. Dann hellte sich ihr Gesicht schlagartig auf. „Ich habe eine Idee!“

„Oh nein“, entfuhr es Dina und mir fast einstimmig.

„Was? Ihr wisst doch gar nicht, was ich überhaupt vorhabe.“

„Genau das bereitet mir ja solche Sorgen …“, erklärte Dina ihr.

„Ich schreibe einen Brief an den Bundespräsidenten. Der wird es beschließen!“, teilte sie uns freudestrahlend ihren brillanten Plan mit.

„Aha, dann mach mal. Ich denke zwar nicht, dass er ihn lesen wird, aber versuche es ruhig.“ Dina schien inzwischen amüsiert zu sein.

„Wieso nicht? Ich lese ja auch alle Briefe, die von der Behörde kommen. Da kann man das im Gegenzug ja auch von ihm verlangen, oder?“ Kim sah darin keine Zweifel.

Sie wühlte in einer Schublade, zog ihren Block heraus und begann zu schreiben.

„Hochverehrter Bundespräsident“, murmelte sie vor sich hin, „ich schreibe Ihnen diesen Brief …“

„Und sie macht es wirklich“, raunte ich Dina fassungslos zu. „Manchmal macht mich Kim echt fertig.“

„Als ob der Brief da überhaupt ankommen wird.“ Dina verkniff sich ein Lachen. „Ich habe eine Idee. Soll ich behaupten, den Brief für sie später zur Post zu bringen und ihr dann einfach selbst einen Brief zurückschreiben, in dem steht, dass er sich über ihren Brief gefreut hat und ihren Wunsch gerne im Parlament anspricht. Damit wäre Kim doch glücklich und die Sache wäre erledigt – wie bei Kindern, die an den Weihnachtsmann schreiben.“

„Nur mit dem kleinen Unterschied, dass es den Bundespräsidenten wirklich gibt“, bemerkte ich.

„Hm.“ Dina zuckte mit den Schultern.


Knapp zehn Minuten später stöhnte Kim laut auf, steckte den Deckel auf ihren Füller und drehte sich freudestrahlend zu uns um. „Fertig.“

„Dann lies mal vor, ich bin gespannt.“

Kim setzte eine wichtige Miene auf, räusperte sich und begann zu lesen:


Hochverehrter Bundespräsident,

der du sitzest im Bundestag,

ich habe einen neuen Feiertag,

der Sie sicher interessieren mag:

Der 29. Februar ist ein Schaltjahr,

Er ist also nur alle vier Jahre da.

Hatten Sie diesen schon auf Ihrem Radar?

Würde er sich nicht ausgezeichnet eignen,

Um einen Feiertag aus ihm zu machen?

Man sollte ihn würdigen, und das mit Recht,

Schließlich ist er kein Tag wie jeder andere: echt.

Zwar kommt er nur alle vier Jahre an die Reihe,

Dennoch wäre es töricht, man verleihe

Ihm nicht die Kraft einen eigenen Tag zu gestalten.

Was würde der 29.02. wohl davon halten?

Hochverehrter Bundespräsident,

der du sitzest im Bundestag,

Mache bitte diesen besonderen Tag

Zum Feiertag!


Liebe Grüße,

Deine Kim Posse aus Ettlingen


„Ein Gedicht!“ Dina bekam große Augen. „O Gott!“

„Ja, ich dachte mir, Briefe bekommt er genug, mein Brief soll doch herausstechen. Gefällt er euch?“ Kim strahlte voller Freude.

„Er … wird definitiv herausstechen.“ Damit hätte ich am aller wenigsten gerechnet.

„Viel Spaß, Dina, wenn du ihr antwortest. Natürlich würde ihr der hochverehrte Bundespräsident ebenfalls in Reimen antworten“, raunte ich Dina schadenfroh grinsend zu. „Dafür hat er ja Zeit – einen ganzen Tag länger. An dem kann er ihren Brief lesen und zurückschreiben und verliert dabei nicht einmal einen Tag. Ist das nicht großartig?“

¡Puta madre!“, stieß Dina empört aus. Sie rang sichtlich mit sich, als sie mit zuckersüßer Stimme sagte: „Kim, wenn ich mit Luna nachher Gassi gehe, komme ich an der Post vorbei. Soll ich den Brief einfach mitnehmen?“

„Nicht nötig, den bringe ich schon selbst hin“, meinte Kim strahlend.

„Hast du denn eine Briefmarke?“, suchte ich verzweifelt nach einem Weg, dass Dina doch noch ihr Vorhaben in die Tat umsetzen konnte. Der Brief würde ohnehin ungeöffnet im Müll landen. Da wäre es zumindest lustig für mich, Dina an der Antwort verzweifeln zu sehen. Und Kim konnte sich freuen und jedem erzählen, dass ihr der hochverehrte Bundespräsident persönlich geschrieben hatte. Zwar würde ihr das niemand glauben, aber sie wäre sicherlich davon überzeugt.

„Mist, eine Briefmarke habe ich nicht“, fiel ihr ein. „Danke, Dina, dass du den Brief für mich mitnimmst. Hier noch die zwanzig Cent für den Versand.“

„Das kostet aber mehr als …“, setzte Dina empört an, doch ich brachte sie mit einem Räuspern zum Schweigen.

„Das ist nicht schlimm, ich habe auch noch Briefmarken in der Redaktion. Die kann ich holen.“ Ich sah es nämlich nicht ein, dass Dina auch noch Geld von Kim einsackte, um sie nur zu hintergehen.

„Danke, ihr seid die besten.“ Ein seliges Lächeln lag auf ihrem Gesicht.

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