Chesnut man
Kim Posse
Für deine tollpatschigste Figur ist es ,,Herbstbastelzeit für einen guten Zweck‘‘. Was soll gebastelt werden und wem kommt es zugute?
„Kim, was genau machst du da eigentlich?“, wollte Vera wissen. Skeptisch beobachtete sie mich bei meiner Arbeit.
Ich war gerade dabei, Kastanienmännchen zu basteln. Jetzt im Herbst war die perfekte Zeit dazu und ich liebte es, mit Naturmaterialien Kunst zu erschaffen.
„Wir haben Herbst und bald wird es Winter“, setzte Kim an.
„Haarscharf kombiniert“, meinte Dina.
„Für einen guten Zweck wollen wir Herbstdeko herstellen und diese verkaufen. Sie soll Obdachlosen zugute kommen, die dann auch im Winter Decken und warmes Essen bekommen sollen.“
„Ein wirklich edles Ziel“, lobte mich Vera, „aber denkst du wirklich, damit verdienst du Geld? Wer sollte so etwas kaufen?“
„Ich jedenfalls nicht!“, erklärte Dina prompt.
„He, das ist gemein!“ Ich war empört. „Schließlich ist es für einen guten Zweck und lediglich eine Spende mit kleinem Gegenwert.“
„Verstehe.“ Vera nickte. „Ich finde es toll, dass du dich für arme Menschen einsetzt.“
„Danke. Könnt ihr mir helfen?“ Gemeinsam ging es wesentlich schneller. „Ich habe hier schon einige Beispiele, an denen ihr euch orientieren könnt.“ Stolz deutete ich auf ein paar Kastanienmännchen, die mit schiefem Kopf und krummen Beinen auf dem Tisch standen.
„Toll, dass du sogar den Kindergarten mit einbeziehst“, meinte Dina.
„Wieso den Kindergarten?“ Verwirrt schaute ich sie an.
„Oder wie alt waren die Kinder, die das gebastelt haben?“, erkundigte sie sich.
„Das … war ich!“, wies ich sie empört darauf hin. So hässlich waren sie nun auch wieder nicht!
„Oh, natürlich. Du bist eine wahre Künstlerin. Weißt du, ich unterscheide immer zwischen zwei Kategorien: entweder es ist schön – oder Kunst.“
„Aha.“ Was genau wollte sie mir damit nun sagen?
„Und deines ist definitiv Kunst!“, ließ sie mich wissen.
„Na danke! Mach es doch besser!“
„Das werde ich!“ Dina schnappte sich ein paar Kastanien und Zahnstocher, dann machte sie sich an die Arbeit.
Theoretisch konnte es mir egal sein, aus welchem Grund sie bastelte. Die Hauptsache war doch, dass sie mir überhaupt half. Dennoch war es ziemlich gemein von ihr gewesen.
In meinem Frust hatte ich nicht aufgepasst und … „Au!“, brüllte ich erschrocken auf. Ein Zahnstocher steckte mir mitten in der Handfläche. Blut tropfte auf den Tisch und färbte die übrigen Zahnstocher rot ein.
„Kim, was kannst du eigentlich?“, rief Dina erschrocken und ließ ihr fertiges Männchen fallen. Ihr wirklich perfektes Männchen! „Ich dachte, mit Kindern müsse man aufpassen, aber du bist fast genauso schlimm!“
„Es tut so weh“, jammerte ich. Nur mit Mühe konnte ich mir Tränen unterdrücken.
Behutsam entfernte mir Vera meinen „Spreißel“ und verarztete mich mit einem Tigerpflaster.
„Sei tapfer!“, munterte sie mich auf. „Es ist für einen guten Zweck.“
„Sterben solltest du trotzdem nicht – auch wenn es für einen guten Zweck ist“, wandte Dina kopfschüttelnd ein und widmete sich wieder den Kastanien. Sie war bereits mit dem zweiten Männchen fast fertig. Zudem waren ihre Männchen wirklich schick und richtig süß.
Meine Männchen sahen eher wie kleine Monster aus – inzwischen verblutete Monster –, ihre waren kleine, wirklich süße Kerlchen, die einfach zum Verlieben waren. Einem hatte sie sogar die stachelige Schale, die ich eigentlich weggeworfen hätte, als Hut aufgesetzt. Mir ging das Herz auf. Mit diesen Männchen würden die Leute sicher großzügigere Spenden dalassen.
„Auch wenn du so gemein bist“, meinte ich, „deine Männchen sind wirklich toll. Danke, dass du mir hilfst.“
Für dieses Lob hatte ich ein Gegenlob erhofft, doch damit hatte ich weit verfehlt.
„Immerhin gibt es dadurch ein paar ansehnliche Figuren, wofür es sich zu spenden lohnt.“
„Dina, das ist echt niveaulos“, fand auch Vera. „Du siehst doch, wie viel Mühe sich Kim gibt.“
„Das sehe ich. Kindergartenkinder geben sich auch Mühe …“ Sie brauchte ihren Satz nicht zu beenden. Ich wusste genau, was sie meinte.
Davon ließ ich mich aber nicht einschüchtern. Auch wenn meine Männchen deutlich hässlicher waren, so hatte ich sie mit Liebe gebastelt. Nicht jeder konnte eben gut basteln! Ich hatte ganz andere Talente.
Bereits zwanzig Kastanienmännchen grinsten uns schief an. Wir kamen wirklich gut voran.
„Wie viele fehlen eigentlich noch?“, erkundigte sich Vera.
„So um die zweihundert Stück habe ich der Organisatorin versprochen“, erklärte ich.
„Zweihundert?“ Dina bekam große Augen. „Das schaffst du doch nie!“
„Darum habe ich doch euch beide. Ihr seid meine besten Freundinnen. Auf euch kann ich zählen. Auch wenn eine von beiden wirklich gemein sein kann!“
„Kim … so war das doch nicht gemeint.“ Dina stellte ihr unfertiges Männchen, das bereits jetzt schon perfekt aussah, vor sich ab und umarmte mich. „Ich habe dich lieb. Tut mir leid.“
„Danke.“ Das hatte ich wirklich gebraucht. „Ich verzeihe dir. Aber nur, wenn du noch hundert Männchen baust.“
„Versprochen!“ Dina lächelte mich an, dann kümmerte sie sich weiter um ihre Bastelarebeit.
Vera hatte sich aus dem Internet einige Kastanienmännchen herausgesucht, die sie nun nachbastelte: eine Raupe, einen Schneemann, einen Igel und sogar eine Schnecke.