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Fauxpas

Kim Posse

Deine blasierteste Figur verunfallt auf denkbar skurrilste Weise. Was passiert und gibt sie es zu?

„Kim?“ Meine Mitbewohnerin rüttelte mich energisch an meiner Schulter.

„W-was?“ Verdattert öffnete ich meine Augen und streckte mich erst einmal. „Wieso weckst du mich so früh? Ist etwas passiert?“, wollte ich wissen.

„So früh? Kim, es ist kurz vor zwölf. Wolltest du nicht um zwölf Uhr in der Stadt sein?“, erinnerte sie mich an meinen Termin.

„Das ist doch erst morgen, am Montag“, sagte ich noch leicht verschlafen.

Heute ist Montag!“, informierte sie mich.

„Was, heute?“, kreischte ich erschrocken auf. „Mist!“

„Darum wecke ich dich ja, dein Handy hat nicht geklingelt.“

„Danke, das ist lieb von dir.“ Ich fischte nach meinem Handy, das ich nachts immer im Flugmodus hatte, um die Strahlung zu vermindern. „Zehn Anrufe in Abwesenheit!“, stellte ich erschrocken fest. „Die beiden werden mir den Kopf runter reißen!“, jammerte ich.

„Noch bist du nicht zu spät. Zieh dich schnell an, währenddessen richte ich dir dein Frühstück“, bot mir meine Mitbewohnerin an.

„Danke.“ Ich sprang auf, schnappte mir meine Klamotten und rannte ins Bad. Den nächsten Schock bekam ich, als ich in den Spiegel schaute und mir ein wahres Monster entgegenblickte. Die Haare meines Gegenübers standen wirr in alle Richtungen ab und das Gesicht war mit Schminke verschmiert. Hatte ich etwa gestern vergessen, mich abzuschminken? Das konnte unmöglich ich sein. Ich tippte mir selbst an die Nase, dann an die Stirn. Das Monster im Spiegel imitierte mich erschreckend echt. Mist, das war doch ich!

„Kim“, meine zweite Mitbewohnerin hatte die Rückstände meiner Schminke auf meinem Kopfkissen entdeckt, „hast du vergessen, dich abzuschminken. Deine komplette Bettwäsche ist versaut.“

„Mara“, heute ich, „ich sehe es gerade selbst!“ Das Monster im Spiegel begann zu weinen. Schwarze Tränen aus Kajal tropften ins Waschbecken und hinterließen eine dreckige Spur.

„Ich versuche es herauszubekommen“, rief sie mir zu. „Lisa hat mir schon erzählt, dass du spät dran bist. Wir helfen dir natürlich beide.“

„Ihr seid wahre Goldstücke“, freute ich mich.

„Soll ich dir schon das Brot vorkauen?“, bot Lisa an.

„Nein, danke“, gab ich angeekelt von mir.

Ich bückte mich, um mich umzuziehen. Dabei schlug ich mir mit voller Wucht meinen Kopf an der Kante des Waschbeckens an. Das rumste so laut, dass Lisa und Mara kurze Zeit später im Bad auftauchten.

„Alles gut bei dir?“, wollten sie wissen.

„Nein“, heulte ich. „Ich habe mir meinen Kopf angeschlagen. Heute geht einfach alles schief!“

„Oh nein, du armes Ding. Warte, ich hole dir etwas zum Kühlen.“ Lisa eilte in die Küche.

„Deine Stirn ist schon ganz geschwollen und blau“, stellte Mara entsetzt fest.

Es tat auch höllisch weh. Ich wollte mir lieber nicht ansehen, wie ich nun aussah: ungekämmt, verschmierte Schminke und nun auch noch eine Beule.

Lisa drückte mir einen kühlen Waschlappen an die Stirn, was den Schmerz etwas linderte.

„Komm, ich helfe dir auf.“ Lisa hakte sich bei mir unter und Mara stützte mich von der anderen Seite.

Als ich wieder stand und mein Blick mein Spiegelbild erhaschte, stieß ich einen spitzen Schrei aus. „Hilfe, so kann ich unmöglich raus gehen!“

„Kein Problem. Ich schminke dich so, dass nichts mehr auffällt“, versicherte Lisa mir und holte bereits alles, was sie brauchte.

„Und ich besorge dir einen großen Hut, unter dem du deine Explosion verstecken kannst. Um deine Haare irgendwie zu bändigen, reicht die Zeit einfach nicht mehr.“

Schwer seufzend nahm ich ihre Hilfe an und ließ sie einfach machen.

„Das sieht doch gar nicht so übel aus“, meinte Lisa und begutachtete stolz ihr Werk.

„Das sieht furchtbar aus“, fand Mara. „Entschuldigung, aber ich bin ehrlich. Wenn man dir auf den Hinterkopf klopft, fällt deine Schminke ab.“

„Ich habe halt viel gebraucht, um dieses Gesicht zu überdecken“, verteidigte sich Lisa. Ihr fiel erst auf, was sie gesagt hatte, als sie es schon ausgesprochen hatte. „Oh, so habe ich das doch nicht gemeint!“, sagte sie schnell, doch es war bereits zu spät.

Schluchzend begann ich zu weinen. Dieser Morgen war einfach der reinste Reinfall. Ich würde es nie rechtzeitig zu meinem Termin schaffen.

„Nicht weinen, so verläuft deine ganze Schminke“, erinnerte mich Mara, doch ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten.

Als Monster-Zombie saß ich nun da und heulte all meine Verzweiflung heraus. Das half mir etwas. Leider änderte sich nichts an meiner Lage.

„Komm, wir müssen das Beste daraus machen. Eine andere Wahl haben wir nicht“, munterte Mara mich auf.

„Das sagst du so leicht. Schau mich an. So kann ich unmöglich das Haus verlassen.“

„Tut mir leid“, meinte sie und begann zu lachen“, dass ich lachen muss, aber du hast recht. Soll ich für dich gehen?“, schlug sie vor.

„Ja, bitte!“, stimmte ich ihr sofort zu.

„Äh, das war eigentlich ein Scherz“, sagte sie schnell, doch das war mir egal. Sie sollte für mich gehen. „Das kann ich doch nicht machen“, wandte sie ein.

„Und wie du das kannst!“, meinte Lisa. „Du siehst tausendmal besser aus als Kim gerade, du bist nicht verletzt und du bist angezogen und fertig.“

„Bitte“, flehte ich, „kannst du das für mich machen?“ Obwohl mir diese Idee nicht gefiel, war es die einzige Möglichkeit die ich im Moment hatte.

„Na gut, aber ich mache es nicht gerne!“, teilte Mara und mit.

„Ich weiß, ich würde auch lieber selbst gehen!“, erinnerte ich sie.

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