From visitor to temporary doctor
Kim Posse
Deine Prota wird plötzlich mit einem Arzt / Heiler verwechselt und findet sich mitten in einer Behandlung wieder. Wie reagiert sie?
Der Schreck saß mir noch immer tief in den Knochen. Gerade hatte ich erfahren, dass meine Mutter ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Auf schnellsten Weg war ich ins Krankenhaus gestürmt, um sie zu sehen.
„Mama, was machst du bloß für Sachen?“ Besorgt sah ich sie an. Den vorwurfsvollen Unterton meiner Stimme hatte sie sofort gehört.
„Ich bin nicht mit Absicht gestürzt“, meinte Mum. Mühsam richtete sie sich auf. Ihr eingegipster Fuß machte es ihr schwer. „Schau“, sie deutete auf ihre Tasche, „ich habe dir eine tolle neue Bluse gekauft. Leider kann ich sie dir nicht mehr schenken. Du hast bereits morgen Geburtstag. Ich schenke sie dir heute schon.“
„Danke, aber dann ziehe ich sie erst morgen an“, erklärte ich und umarmte sie.
„Zieh sie bitte direkt an. Ich will sehen, wie sie dir steht.“ Also zog ich sie an: Die Bluse war weiß und sah fast aus wie ein Arztkittel. „Wie hübsch du aussiehst. Gefällt es dir?“
„Sehr schön“, log ich, „aber ich muss leider wieder los.“
„Danke, dass du da warst. Ich habe dich lieb.“
„Ich dich auch. Tschüss.“ Ich verließ das Zimmer und eilte über den Gang. Doch kurz bevor ich den Ausgang erreichte, hielt mich eine Schwester auf und zog mich eilig mit sich.
„Schnell, wir müssen sich beeilen. Die Patientin wurde uns in der Notaufnahme eingeliefert“, redete sie hektisch auf mich ein.
„Ich bin kein“, setzte ich an, doch sie ließ mich nicht ausreden.
„Keine Zeit für Ausreden, schnell.“ Sie rannte den Flur runter und ich folgte ihr überrumpelt, denn ich wusste nicht, was ich tun sollte.
Als wir das Zimmer betraten, lag eine blutende Frau vor mir. Ihr Knie war offen und – Shit, ich konnte kein Blut sehen! Mehr als einen Tag Erste-Hilfe-Kurs hatte ich keinerlei Erfahrung. Doch dafür war es wohl zu spät. Okay, Ruhe bewahren, sprach ich mir selbst ein. Die Schwester drückte mir eine Spritze in die Hand.
„Betäube schon mal das Knie“, wies sie mich an. Mit geweiteten Augen nahm ich die Spritze entgegen. Was sollte ich bloß tun?
„Äh, ich bin eigentlich kein“, versuchte ich es erneut, doch wieder wurde ich unterbrochen.
„Nun spritze schon, die Patientin hat Schmerzen. Ich muss schnell nähen. Ich habe schon alles vorbereitet.“
Also stach ich der Frau die Spritze behutsam in die Wunde und drückte den kompletten Inhalt hinein. Nun weiteten sich auch die Augen der Patientin.
„Nicht alles auf eine Stelle“, schalt die Schwester, „man muss es verteilen! Du musst echt noch üben!“
„Ich bin ja auch keine …“
„Ruhig jetzt, ich nähe. Halte den Faden. Achtung, er darf nichts berühren – auch mich nicht. Ich bin nicht steril! Er muss keimfrei bleiben.“
Ich tat mein Bestes und hoffte inständig, dass dieser Albtraum schnellstmöglich vorüberging. Noch mehr Blut, und sie müsste auch noch mich behandeln.
Mit geschickter Hand setzte sie die Nadel an und mit drei Stichen war die Wunde wieder verschlossen.
„So, wir sind fertig.“ Die Schwester sprach noch kurz mit der Patientin, dann brachte eine Kollegin sie mit einem Rollstuhl in ein anderes Zimmer.
„Was wolltest du mir die ganze Zeit sagen?“, wandte sie sich an mich.
„Ich?“ Ich war mir nicht mehr sicher, ob ich es überhaupt verraten sollte.
„Ich höre?“
„Nun ja, ich bin weder Ärztin noch Krankenschwester. Ich habe mal einen Rot-Kreuz-Kurs gemacht – vor fünf Jahren. Und ich kann kein Blut sehen.“
Bei jedem Satz schien sie verblüffter zu werden. Doch dann sagte gefasst: „Dafür hast du dich aber gut geschlagen. Ich habe es nicht einmal bemerkt. Darum warst du die ganze Zeit so nervös.“ Anerkennend klopfte sie mir auf die Schulter und lachte. „Hast du Interesse an einem Praktikum? Wir sind für jede Hilfe dankbar.“
„Äh, okay“, stimmte ich überrumpelt zu. Ich begann zu lachen.
„Was ist?“
„Ich kam ins Krankenhaus, um meine Mutter zu besuchen, und jetzt komme ich mit einem Praktikum wieder raus. Und das alles nur wegen dieser weißen Weste.“
Nun musste auch die Schwester lachen. „Was für eine verrückte Geschichte!“
Gemeinsam kümmerten wir uns um die nächsten Patienten und ich lernte viel. Ja, es machte mir sogar Spaß!