Hammock
Kim Posse
Tag der Hängematte
„Ah, so lässt es sich aushalten“, schwärmte ich und streckte mich in meiner Hängematte, in der ich es mir gemütlich gemacht hatte.
„Hängematten sind einfach ungemütlich“, nörgelte Vera, die es sich auf der Gartenliege bequem gemacht hatte. Mit Sonnenbrille und Hut lag sie in der Sonne und bräunte sich.
„Hängematten sind einfach die beste Erfindgung, die es gibt“, verteidigte ich meinen gemütlichen Liegeplatz. „Kein Stein kann ungemütlich unter dir liegen.“
„Aber die Verankerung kann sich lösen und du kannst herunterfallen“, merkte Dina an, die ebenfalls auf einer Liege lag.
„Ihr wisst einfach nicht, was bequem ist!“, motzte ich.
Vera schlürfte geräuschvoll an ihrer Limonade.
„Ich will auch“, rief ich neidisch und setzte mich ruckartig auf.
„Im Kühlschrank gibt es noch“, verriet sie mir. „Du kennst ja den Weg.“
„Und wie ich den kenne!“ Schnell stieg ich aus und wollte schon losrennen, als sich mein Fuß in einem der Seile verhedderte und ich unsanft zurück gerissen wurde. Unelegant landete ich unter der Hängematte und konnte mich allein nicht mehr befreien.
„Kim, alles okay?“, schrie Vera entsetzt, die meinen peinlichen Unfall in aller Ausführlichkeit beobachtet hatte und trotz des Schocks zu lachen begann.
„Jetzt lache nicht so doof! Hilf mir lieber!“, keifte ich empört.
„Mit einer normalen Liege wäre das nicht passiert“, wies mich Dina gr0ßzügigerweise darauf hin.
„Das hilft mir nicht im geringsten!“
Endlich halfen mir die beiden aus meinem Gefängnis aus Stoff und Seilen heraus. Als ich mit meiner Limonade zurückkam, saßen meine Freundinnen nebeneinander auf einer der Liegen.
„Komm, setze dich zu uns“, rief mir Vera zu und klopfte neben sich. „Mit der Limo solltest du besser nicht auf die Hängematte gehen.“
„Wisst ihr, dass die Hängematte von den Maya vor fast tausend Jahren erfunden wurden?“, teilte uns Kim mit.
„Die Maya? Krass“, staunte Dina. „Ich dachte, die haben nur die Schokolade erfunden.“
„Sie haben sie dem Hammack-Baum gewebt. Darum heißt sie auf Englisch Hammock. Sie wurden aber nicht nur zum Schlafen, sondern auch zum Fischen verwendet.“
„Ich schlafe in Hängematten immer viel zu schnell ein“, bemerkte Dina. „Durch diese ständige Schaukelbewegung fühle ich mich wie in den Armen meiner Mamá, die mich wie ein Baby hin und her wiegt.“
„Das ist doch schön“, fand ich. Gegen gelegentlich ein kleines Nickerchen hatte ich nichts einzuwenden.
„Aber nochmal zurück zu den Maya“, rollte Vera das vorige Thema noch einmal auf. „Und wie kam sie dann von Amerika nach Europa?“
„Durch Christopher Columbus. Er hat sie bei seiner Entdeckung von Amerika mitgebracht. Vor allem auf dem Schiff war es eine gemütliche Schlafgelegenheit.“
„Ah, der schon wieder“, machte sie sich darüber lustig. „Ein Wunder, dass er nicht behauptet hatte, sie erfunden zu haben.“
„Ich finde, Hängematten sollten auch in Schulen und in Büros erlaubt sein“, wünschte ich mir.
„Das gibt es wirklich“, klärte Vera uns auf.
„Echt? Wo?“ Ich bekam große Augen. „Da muss ich hin!“
Vera musste lachen. „Ich weiß es nicht genau. Allerdings muss ich dich enttäuschen, dass darin gearbeitet wird. Die Hängematte befindet sich im Pausenraum und dient zur Entspannung für die Angestellten.“
„Und für die mutigen unter uns“, meinte Dina, „es gibt in Utah eine Hängematte, die 150 Meter über einer großen Schlucht hängt. Das würde ich mich nicht trauen.“
„Oh nein, da würden mich auch keine zehn Pferde hinauf bekommen“, stieß ich entsetzt aus. Meine Höhenangst machte mir bei diesem Vorhaben einen dicken Strich durch die Rechnung.
„Dann gehen wir lieber ins Hängematten-Café in Tokio. Dort gibt es nämlich anstatt Stühlen nur Hängematten. Das finde ich eine lustige Idee“, meinte Vera.
„Denen schlafen da sicher reihenweise die Gäste ein. Nicht, dass es zu gemütlich wird“, kicherte Dina.
Ich stellte mir vor, wie die Kellner nervös zwischen ihren schlafenden Gästen umherliefen und ihnen starke Kaffees brachten, damit sie wach blieben.
„Weißt du was, ich will auch mal eine Runde in deine Hängematte liegen“, meinte Dina. „Darf ich?“ Flehend schaute sie mich an.
„Na gut“, gab ich nach. „Bist du auch endlich auf den Geschmack gekommen?“
„Ich mag Hängematten, nur kann ich nicht ständig darin liegen, weil ich nicht ständig schlafen will.“
Tatsächlich schlief Dina bereits nach wenigen Minuten ein, nachdem sie es sich bequem gemacht hatte.
„Ich kann sie ja alle zehn Minuten wecken“, schlug ich vor.
„Unterstehe dich!“, mahnte mich Vera. „So etwas macht man nicht! Komm, lege dich auf Dinas Liege.“
„Mann, ist die unbequem. Hoffentlich gibt sie mir bald meine Hängematte zurück!“, stöhnte ich.