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Hoch verschuldet

Vera Sturm

Hört bei Geld die Freundschaft auf? Ein armer Verwandter oder Bekannter pumpt deine freigiebigste Figur an. Wie viel wird genommen?

„Vera, ich habe ein Problem.“ Kim guckte mich an, als wäre ihr ein Geist begegnet.

„Was ist passiert? Du siehst wirklich schrecklich aus!“

„Danke, ich bin bloß ungeschminkt“, motzte sie.

„So war das doch nicht gemeint“, versicherte ich ihr sofort. „Du bist echt hübsch. Ich meinte nur, was dich bedrückt? Du siehst nicht glücklich aus.“

„Ich habe ein Geldproblem … ein gewaltiges Problem sogar“, rückte sie mit der Sprache heraus.

„So? Wieso das?“, wunderte ich mich. „Aber … falls du Hilfe brauchst, kannst du doch immer auf mich zählen.“

„Das ist wirklich lieb von dir, Vera.“

„Sag, wie viel brauchst du?“

„Nicht ich direkt. Nun ja, doch ich, aber auch irgendwie nicht“, brabbelte sie ungehalten.

„Kim, wie viel?“, unterbrach ich sie.

„5.000 Euro. Ich habe mein Konto um 5.000 Euro überzogen, weil …“

„Auch noch überzogen?“, stutzte ich.

„Ja, weil …“

„Wieso das denn?“

„Das will ich dir doch gerade erklären, aber du unterbrichst mich andauernd!“, schluchzte Kim.

„Entschuldigung, ich höre dir jetzt einfach zu und sage erst einmal nichts mehr.“

„Meine Mum war mit ihrer Miete stark im Rückstand und der Anwalt ihres Vermieters wollte das Geld sofort haben. Natürlich habe ich ihr das Geld sofort überwiesen ohne darauf zu achten …“

„… wie viel du auf deinem Konto hast“, volendete ich ihren Satz erschrocken.

Mit Tränen in den Augen nickte sie. „Und jetzt habe ich dasselbe Problem. Ich habe ihr nämlich nicht nur 5.000 Euro überwiesen, die ich nun überzogen habe, ich habe ihr 9.000 Euro auf ihr Konto geschickt! Jetzt ist all mein Erspartes weg.“

„Ach, Kim, du Dummchen.“ Ich nahm sie in den Arm. „Du bist wirklich zu gutgläubig und gutherzig. Du bist so ein wundervoller Mensch.

„Danke“, schluchzte sie.

„Aber das bekommen wir schon wieder hin“, versicherte ich ihr.

„Nein, eben nicht! Jetzt bin nämlich ich mit meiner Miete im Rückstand, die Bank rückt keinen Cent heraus, mein Budget ist bis zum Maximum ausgereizt und ich muss zuerst die 5.000 Euro an die Bank zurückzahlen, bevor ich meinen Mietrückstand begleichen kann. Also brauche ich jetzt 5.268,94 Euro. Das kann ich doch nie im Leben auftreiben!“

„Du könntest eine Bank ausrauben“, machte ich einen Scherz, den Kim allerdings nicht verstand.

„Gute Idee, aber ich will nicht ins Gefängnis!“

„Das war doch nur dummes Gerede!“, rief ich ihr ins Gedächtnis. „Natürlich wirst du keine Bank ausrauben! So weit wollen wir nicht absinken.“

„Und was soll ich machen?“

„Ich werde dir das Geld leihen“, schlug ich vor.

„Nein!“, kreischte Kim. „Am Ende überziehst du dein Konto und sitzt im selben Boot wie ich. Das will ich auf keinen Fall.“

„Kim, Süße, mach dir darüber keine Gedanken. Ich habe genug Geld, um dir zu helfen. Ansonsten frage ich Dina um Hilfe.“

„Da drehen wir uns ja in einem endlosen Teufelskreis!“, heulte Kim auf. „Und wen soll Dina dann fragen? Mich?“

„Kim, du solltest jetzt lieber schweigen. Ich überweise dir gleich morgen das Geld und mache dir auch keinen Druck zum Zurückzahlen. Du könntest ja bei mir in der Redaktion einen Aushilfsjob machen, um dir das Geld zu verdienen. Dann hast du in absehbarer Zeit das Geld wieder drin und kannst es mir langsam zurückzahlen.“

„Danke, du bist eine wahre Freundin. Vera, du bist meine Rettung. Ich habe dich so sehr lieb. Ohne dich wäre ich wohl unter der Brücke gelandet.“ Kim raufte sich die Haare und lief rot an.

„Nein, das wärst du auf keinen Fall. Du hast noch immer mich und Dina. Gemeinsam hätten wir eine Lösung gefunden. Und eine Lösung haben wir ja jetzt.“

„Wo muss ich mich melden, um den Aushilfsjob zu bekommen?“, fragte Kim.

„Ich hole dich morgen um zehn Uhr ab. Dann stelle ich dich meinem Chef vor und erkläre die Situation. Er wird sicher helfen.“

„Was würde ich bloß ohne dich machen?“, schluchzte Kim erleichtert.

„Ich fürchte, du würdest bankrott gehen.“

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