Liebeskummer lohnt sich nicht
Vera Sturm
Eine deiner Figuren hat furchtbaren Liebeskummer. Schicke deine vergesslichste Figur zur Aufmunterung.
„… und dann hat er gesagt, dass er mich verlassen will“, schluchzte ich und schnäuzte das zwanzigste Taschentuch voll. „Ich habe ihm gesagt, dass ich ohne ihn nicht leben kann“, erneut schluchzte ich, „und ich ihn brauche. Ich liebe ihn so sehr.“
Tröstend legte mir Kim ihre Hand auf den Rücken und streichelte mich. „Vera, du Ärmste. Was kann ich tun, damit es dir besser geht?“
„Ich weiß nicht.“ Erneut stiegen mir Tränen in die Augen, denen ich einfach freie Bahn ließ. Zurückhalten brachte im Moment ohnehin nichts.
„Ja, weine alles raus! Das hilft immer!“, wusste Kim.
„Mache ich.“ Ich griff nach einem weiteren Taschentuch und schnäuzte geräuschvoll.
„Hast du ihm schon gesagt, dass du nicht ihn ihn leben kannst? Bei vielen Männern weckt das eine neue weiche Seite.“
„Das habe ich doch schon!“, erinnerte ich sie mit wimmernder Stimme.
„Stimmt, das hast du schon.“
„Ich habe ihm sogar Blumen geholt, aber ich glaube, das hätte eher er machen sollen. Wenn Mädchen Jungs Blumen bringen, ist das nicht so wirkungsvoll.“
„Hast du es schon mit Blumen probiert?“, kam Kim auf die Idee, die ich gerade eben erwähnt hatte.
„Ja, verdammt. Das habe ich doch gerade erzählt.“ Ein weiterer Heulanfall überkam mich, der in einem wimmernden Schluchzen endete.
„Wahrscheinlich müsste eher er dir Blumen bringen, das hätte mehr bewirkt. Ich weiß nicht, ob Jungs mit Blumen so leicht rumzukriegen sind.“
„Sei mir nicht böse, aber du bist mir echt keine Hilfe“, jammerte ich. „Du plapperst mir einfach alles nach, was ich schon versucht habe. Auf solche Ratschläge kann ich verzichten. Da weiß ja mein Spiegel mehr als du zu sagen!“
„Tut mir echt leid, Vera, ich weiß gerade einfach nicht, was ist sagen soll“, gestand sie.
„Na ganz große Klasse!“, stöhnte ich. „Aber Hauptsache irgendetwas gesagt, auch wenn es nur nachgeplappert ist!“
„Tut mir echt leid, Vera, ich weiß gerade einfach nicht, was ist sagen soll.“
„Das hast du gerade schon einmal gesagt.“
„Tut mir leid …“
„Ja, ich weiß, dass es dir leid tut! Nur bitte sei endlich leise und lass mich traurig sein. Du kannst mir den Rücken streicheln oder etwas vorsingen“, kurz hielt ich inne, als ich genauer darüber nachdachte, „nein, lieber nicht! Aber einfach Beistand leisten. Damit wäre mir schon viel geholfen.“
„Alles klar.“ Kim streichelte mir den Rücken, während ich ein weiteres Mal schnäuzte.
„Soll … ich dir etwas vorsingen?“, fragte sie.
„Nein!“, schnauzte ich sie sofort an. „Das habe ich doch gerade gesagt!“ Meine Nerven lagen blank und Kim verbesserte meine seelische Verfassung momentan nicht wirklich.
„Dann habe ich das falsch verstanden. Ich dachte, du willst etwas vorgesungen bekommen. Ich hätte dir jetzt Heile, heile Gänschen vorgesungen.“
„Bloß nicht! Ich bin doch kein Baby mehr!“ Da kam mir eine andere Idee. „Mach doch bitte dem Radion an.“
Kim gehorchte und stand auf. Gerade als sie sich setzte und ich meinen Kopf auf ihren Schoß legte, ertönte ein Lied, das unpassender nicht hätte sein können.
„Liebeskummer lohnt sich nicht, my darling. Schade um die Tränen in der Nacht“, erklang es aus dem Radio. „Liebeskummer lohnt sich nicht, weil schon morgen dein Herz darüber lacht.“
„Hörst du? Morgen lacht dein Herz schon darüber“, wiederholte Kim freudig.
„Na super! Als ob das stimmt!“, klagte ich. „Lass mich doch einfach traurig sein!“
Trotzdem musste ich zugeben, dass mir das Lied doch ganz gut tat. Leise summte ich den Refrain mit und und beruhigte mich allmählich.
„Siehst du“, meinte Kim, die mir über den Kopf strich, „ich wusste doch, dass du es schaffst.“
„Schon, aber nicht dank dir“, machte ich sie vorwurfsvoll darauf aufmerksam, dass sie am wenigsten dazu beigetragen hatte.