Perfect description
Kim Posse
Deine kreativste Figur verfasst eine Selbstbeschreibung, um einen Partner kennenzulernen. Die Zeichen sind auf 2.000 begrenzt.
Eigentlich hielt ich von solchen Verkupplungsapps nicht sonderlich viel, doch inzwischen hatte ich die Nase gestrichen voll. Dina und Vera hatten einen die besten Freunde, die man sich nur vorstellen konnte, und ich stand als einzige allein da. Nein, so konnte es unmöglich weitergehen!
Kurzerhand hatte ich mir eine dieser Apps heruntergeladen und angefangen, ein Profil über mich anzulegen. Allerdings hatte die Sache einen gewaltigen Haken: weder meinen Instagram-Account konnte ich verlinken noch eine vernünftige Beschreibung über mich anfertigen, da die Zeichenzahl auf mickrige zweitausend Zeichen inklusive der Leerzeichen beschränkt war. Eine bodenlose Frechheit. Wie sollte ich mich denn in dieser Kürze vernünftig vorstellen?
Da meckern nichts half, legte ich mir ein Blatt zurecht und begann zu schreiben. Nach jedem Satz zählte ich die Buchstaben, was eine wirklich mühsame Angelegenheit war. Dass die Partnersuche so anstrengend ist, hatte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen können.
Hey, ich bin Kim Posse und komme ursprünglich aus Rochester in England. Seit nunmehr als einem Jahr wohne ich in Deutschland in einer tollen WG im Herzen von Ettlingen, zusammen mit Lisa und Mara. Meine besten Freundinnen der Welt, auf die ich niemals verzichten könnte, heißen Vera Sturm (Sie arbeitet als Reporterin. Ist das nicht aufregend?) und Dina Noche Prudencio (Sie arbeitet im Lokal „Fliegender Drache“, aber ihr Chef ist voll unhöflich.), meine spanische und ziemlich temperamentvolle amiga. Ich selbst gehe noch zur Schule, aber wahrscheinlich nicht mehr lange. Ich bin nämlich kurz vor meinen Durchbruch. Ich habe ein Lied geschrieben, das es sogar in den Radio geschafft hat. Vielleicht kennst du es sogar? Es heißt „Dancing with you“ und handelt von einem jungen Liebespaar, das sich im Rausch des Tanzes verliert. Ist das nicht romantisch. Ich will mich auch mit dir im Rausch des Tanzes verlieren. Ich bin zwar keine besonders gute Tänzerin, aber ich gebe mein Bestes und hoffe, dass ich dir nicht allzu oft auf die Füße trample. Aber jeder hat doch so seine Macken, nicht wahr? Es wäre nämlich total uncool, wenn man eine Person nur auf Äußerlichkeiten reduziert. Das geht nämlich gar nicht. Boah, wie ich solche Typen hasse! Ich hoffe, du bist nicht so, dann verstehen wir uns. Ansonsten bin ich sehr kreativ und batike gerne – oder ich schreibe neue Hits für mein Album, mit dem ich in die Charts aufsteigen möchte. Wenn du irgendwelche Kontakte hättest, wäre das unglaublich cool, dann könntest du mir einen Plattenvertrag besorgen und mit mir meinen Erfolg feiern. Ich könnte dir im Gegenzug anbieten, ein Lied über dich zu schreiben. Solltest du Interesse haben, schreibe mir gerne einen Liebesbrief, in dem du mir deine wahren Beweggründe und Motive offenbarst, denn das interessiert mich schließlich auch. Mir ist in einer Beziehung wichtig, dass man viele Gemeinsamkeiten hat. Wäre ja scheiße, wenn du voll auf Sport stehst und ich das nicht will, oder?
Bis bald, deine Kim Po…
Schade, schon fertig. Den letzten Satz konnte ich nicht einmal zu Ende schreiben. An einer unpassenderen Stelle hätte es nicht enden können. Ich hätte noch so Vieles über mich schreiben können. Doch es gab keinen Buchstaben, den ich auch nur löschen wollte. Mein Text war einfach zu perfekt. Klar, er war ja auch von mir!
Vielleicht war an diesem bescheuerten Sprichwort „In der Kürze liegt die Würze“ doch etwas dran? Jedenfalls hoffte ich stark – ja, das sage ich hier so einfach ganz frei heraus –, dass sich sein bestes Stück nicht auch an diesen Grundsatz hält.
Als ich meiner WG-Mitbewohnerin Mara diesen Text freudestrahlend präsentierte, zog sie skeptisch die Stirn in Falten. „Dein Ernst? Kim, erstens interessiert es absolut niemanden, wie deine Freundinnen heißen und was sie machen, und zweitens solltest du es nicht als Drohbrief schreiben.“
„Aber ich habe meine Wünsche klar kommuniziert“, rechtfertigte ich mich.
„Klar und deutlich! Darf ich ehrlich sein?“
Ich nickte, bereute es aber im selben Moment.
„Lösche diesen Graus. Ich würde schreiend davonlaufen, wenn ich mit jemandem zusammen sein sollte, der sowas aufsetzt. Dass du nicht noch einen Rechtsausschluss samt Garantierückgabe dazugeschrieben hast, wundert mich.“
„Eine gute Idee, nur ist leider nicht mehr genug Platz dafür“, klagte ich. „Aber danke für deine Meinung.“
„Wieso habe ich das Gefühl, dass dir meine Meinung gerade völlig egal ist?“, wollte Mara wissen.
Ich zuckte mit den Schultern. „Dann stimmt dein Gefühl.“ Den Text hatte ich nämlich längst eingestellt und wartete bereits auf die Liebesbriefe meiner zukünftigen Prinzen.