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Sweatpants

Kim Posse

Tag der Jogginghose

Wenn man zuhause ist, ist es am gemütlichsten, wenn man eine Jogginghose trägt. Darum hatte ich mir heute eine solche Hose angezogen. Es waren nämlich Wochenende und ich hatte nicht vor, aus dem Haus zu gehen, denn draußen war es mir viel zu kalt.

„Kim, was gammelst du denn auf dem Sofa herum?“, zog mich Mara, meine WG-Mitbewohnerin, belustigt auf. „Du siehst aus als sei es tiefster Winter.“

Ich drehte meinen Kopf, blickte auf die gefrorene Landschaft und meinte: „Es ist tiefster Winter!“

„Nur, wenn Schnee liegt“, fand Mara. „Heute ist ein gutes Wetter, um raus zu gehen. Es ist trocken und nicht windig.“

„Dann kannst du gerne rausgehen, aber ich bleibe hier drin. Ich mache mir erst einmal einen Tee, um mich von innen zu wärmen.“ Entschlossen wickelte ich mich aus der gemütlichen Sofadecke aus und steuerte auf die Küche zu.

„Herrje, Kim, du trägst ja eine Jogginghose!“, kreischte sie auf.

„Was dagegen?“, wunderte ich mich. Mara zog doch selbst ab und zu Jogginghosen an. Was hatte sie auf einmal?

„Hast du nicht mitbekommen, was Karl Lagerfeld gesagt hat?“, wollte sie wissen.

„Dieser weißhaarige Modedesigner mit schwarzer Brille?“

„Genau der! Er hat kritisiert, dass die Jogginghose zu sehr im Rampenlicht steht. ‚Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.‘ Das waren seine Worte“, zitierte Mara ihn.

„Und darauf hörst du? Mir wäre es völlig egal, was irgendjemand über die Hosen sagt. Solange ich mich darin wohlfühle, kann er dieser Hose alles nachsagen!“

„Nicht irgendwer!“, fand Mara. „Wenn Karl Lagerfeld als Modedesigner und -kenner so etwas sagt, hat das wesentlich mehr Gewicht.“

„Auch nur, wenn man darauf hört, mir ist es gleichgültig. Ganz ehrlich!“

„Aber er kennt sich aus. Allein schon seine Ahnung von Mode ist sicher zehnmal so hoch wie deine.“

„Was meinst du damit?“

„Na ja“, druckste sie herum, „guckst du manchmal in den Spiegel, bevor du aus dem Haus gehst? Es passt ja nicht immer unbedingt alles zusammen, was du so zu einem Outfit kreierst. Ich würde mich so jedenfalls nicht auf die Straße trauen.“

„Na hör mal!“, empörte ich mich. „Und überhaupt, wieso hetzt du jetzt gegen mich, wenn dieser Lagerfeld dir die Mode madig macht?“

„Madig? Das ist ein Skandal!“

„Finde ich nicht.“

„Aber irgendwie hat er auch recht“, fuhr sie fort.

„Inwiefern?“

„Ich kenne viele Leute, die mit Jogginghose aus dem Haus gehen oder sogar damit zur Arbeit. Ich finde, man kann sie zum herumgammeln zuhause anziehen, aber nicht, wenn man aus dem Haus geht! Kein Mensch geht schließlich mit dem Schlafanzug vor die Tür!“

„Manche leider schon“, fiel mir ein. Meine Mum hatte immer im Schlafanzug die Post hereingeholt und war sogar ab und zu zum Bäcker gelaufen, wenn die vergessen hatte, dass sie noch ihr Nachtgewand trägt.

„Sei es drum. Aber ganz ehrlich. Ich finde es auch etwas respektlos, wenn man in herunterhängender Jogginghose in der Arbeit aufkreuzt. Ich als Chefin hätte meine Angestellten längst verwarnt“, zeterte sie weiter.

„Es kommt aber immer auf den Job an“, wandte ich ein.

„Nicht wirklich. Weder als Bankkaufmann noch als Bäcker oder Bauarbeiter sollte man sie tragen. Wozu gibt es schließlich Arbeitskleidung?“

„Ich weiß nicht, was für ein Problem du hast. Bei mir in der Klasse gehen beispielsweise viele in Jogges in die Schule“, erklärte ich ihr. Das würde ich zwar nie machen, da ich mich doch ein bisschen unwohl dabei fühlen würde, aber ich hatte kein Problem damit, wenn andere Jogginghosen trugen. Solange sie es bequem finden, sollen sie doch anziehen, was sie wollen. Ich fühlte mich darin allerdings nicht ganz so wohl.

Einmal hatte ich mein Knie verletzt und es musste genäht werden. Da eine Jeanshose, die ich sonst immer trug, zu rau gewesen wäre, hatte ich eine komplette Woche eine Jogginghose getragen. Dabei hatte ich mich sehr unwohl gefühlt.

„Und seit 2010 gibt es sogar einen Tag der Jogginghose. Ist das nicht verrückt?“, motzte Mara weiter.

„Wegen der Kritik von Lagerfeld?“

„Ja, daraufhin haben sich vier Jungs zusammengetan und diesen Tag erfunden. Demnach sollen alle Leute am 21. Januar einen kompletten Tag in Jogginghose herumlaufen – egal ob in der Schule, in der Arbeit oder wo auch immer man gerade hingeht. Ist das zu fassen?“

„Das ist eine ziemlich coole Idee“, konnte ich mich dafür begeistern, „ich glaube, ich mache mit.“

„Um Himmels Willen, Kim! Ist das dein Ernst?“ Entsetzt guckte sie mich an.

Ich nickte begeistert.

„Hätte ich dir doch bloß nichts davon erzählt!“, stöhnte Mara.

„Machst du mit?“, foppte ich sie.

„Das hättest du wohl gerne! Auf gar keinen Fall werde ich bei so einem Schwachsinn mitmachen!“, empörte sie sich.

„Ach, hab dich nicht so. Ich finde das lustig.“ Beiläufig guckte ich auf den Kalender. „Toll, in einer Woche ist bereits dieser Tag. Ein Glück, dass du mir davon erzählt hast.“

„Ich dachte, du gehst nicht gerne in die Schule in dieser Schlabber-Hose? Als du deine Knieverletzung hattest, warst du nicht sehr begeistert davon.“

„Da hatte ich auch keine Wahl. Bei diesem Tag kann ich mich frei dazu entscheiden und das werde ich auch tun!“

„Du hast einen Schaden!“, kommentierte Mara trocken, doch ich hörte nicht darauf. „Ich weiß nicht genau, wann es war, aber selbst Bankleute haben an diesem Tag auf ihre Business-Kleidung verzichtet.“

„Das finde ich große Klasse“, zeigte ich meine Begeisterung. Sicher war es gerade im Bankwesen alles andere als gern gesehen, wenn die Mitarbeiter in Jogginghose aufkreuzten.

„Pff“, machte sie verächtlich. „Aber die Höhe kommt noch: Die Bank hat sich einen Nutzen daraus gezogen und einen Marketing-Gag daraus gemacht.“

„Echt? Was für einen?“

„,Wir nützen diesen Tag, um unseren Kunden zu zeigen, dass ein Besuch in der Filiale ebenso bequem wie Internetbanking daheim sein kann.‘ Ist das nicht völlig bescheuert?“

„Ich finde es eine sehr gute Werbemasche und extrem originell. Vor allem, dass die Bank da mitmacht, gefällt mir. Bankleute stelle ich mir nämlich immer so steif vor.“

„Steif?“, keuchte Mara und wusste wohl nicht genau, ob sie lachen oder sich aufregen sollte.

„Mara!“, ermahnte ich sie. „Nicht das, woran du jetzt denkst! Ich meine, dass es dort streng zugeht und diese Leute keinen Spaß vertragen. So habe ich Bänker bislang eingeschätzt. Umso toller ist es, dass sie sich darauf einlassen. Das gefällt mir.“

„Zumindest einem von uns!“ Mara rollte mit den Aufen. „Ich dachte, du wolltest dir etwas aus der Küche holen“, brach sie nun unsere Diskussion ab, da sie wohl merkte, dass sie mich nicht mehr umstimmen konnte.

„Stimmt. Nur darum hat unsere tolle Unterhaltung erst begonnen“, lachte ich.

„Ich werde mir in Zukunft zweimal, nein dreimal überlegen, ob ich etwas zu dir sage!“, fluchte sie. „Ich gehe jetzt erst einmal eine Runde joggen. Das Wetter ist …“

„… so schön, ich weiß“, kicherte ich. „Warte, du gehst joggen?“, fiel mir auf. „Doch nicht etwa in Jogginghose?“

„Mrrr“, murrte sie, „lass mich.“ Dann trabte sie an mir vorbei und schnürte ihre Jogginghose enger. „Außerdem ist es eine Laufhose.“

„Zum Joggen … also eine Jogginghose“, ergänzte ich.

„Kümmere dich um deinen Tee und lass mir meine Ruhe!“, jammerte sie und verschwand.

„Was für eine tolle Idee. Ich werde an diesem Tag mit Jogginghose in die Schule gehen“, nahm ich mir vor. Nur diesen einen Tag.

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