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Three times me

Kim Posse

Deine Prota geht durch Magie, die sie genau zu der Person macht, die sie schon immer sein wollte ...

„Und das soll funktionieren?“ Skeptisch begutachtete ich das Zauberbuch, das aufgeschlagen vor Kim lag.

„Wenn ich es doch sage!“, versicherte ich. Dieses Buch hatte ich zufällig in der hintersten Ecke einer alten Bücherei in England gefunden und wollte es nun ausprobieren. In dem Buch standen sämtliche Zauber, die die Persönlichkeit oder die Gestalt verändern können.

„Das kommt mir alles Spanisch vor“, meinte Dina und rümpfte die Nase.

„Haha, ich lache mich kaputt“, gab ich genervt zurück. Denn Dina war Spanierin!

„Ach, was soll schon passieren“, meinte Vera schließlich. „Schlimmer als unser Fluch kann es hoffentlich nicht werden. Was wollen wir ausprobieren?“

„Schön, dass du mir vertraust.“ Darüber freute ich mich wirklich sehr.

„Wie wäre es damit: ‚Be the person you always wanted to be‘?“, las ich vor.

„Aha. Ich wollte eigentlich noch nie jemand anderes sein“, erklärte mir Vera augenblicklich.

„Ich auch nicht! Ich finde mich gut, wie ich bin“, fügte Dina eilig hinzu.

„Aber komm, lass es uns ausprobieren“, schlug Vera voller Tatendrang vor. Sie schien begeistert zu sein. „Was müssen wir dafür tun?“

Ich las die Anweisungen durch und teilte sie meinen beiden Freundinnen mit: „Ihr müsst beide Hände an eure Schläfen legen und ganz fest an die Person denken, die ihr schon immer einmal sein wolltet. Dann müsst ihr mir einen Spruch nachsprechen.“

„Das ist alles?“, wunderte sich Vera.

„Mehr steht hier nicht drin“, meinte ich und deutete auf die besagte Seite.

„Ob das gut geht …“ Dina lachte erschrocken auf. „Und wie lange hält der Zauber an? Ich will ungern mein ganzes Leben als andere Person herumlaufen – mal angenommen es funktioniert. Ich mag mich so, wie ich bin!“

„Davon steht nichts im Buch, aber ich gehe davon aus, dass es nur vorübergehend ist“, vermutete ich.

„Na ganz große Klasse!“

„Wer nichts wagt, der nichts gewinnt“, gab Vera lachend zu bedenken. „Also los, ich will es probieren.“

„Na gut, dann mache ich eben mit. Aber ich hole direkt einen Spiegel, um zu sehen, in wen ich mich verwandle.“

„Mach das“, erlaubte ich ihr, obwohl mich die Ungeduld sehr plagte.

„Du kannst anfangen“, teilte sie mir mit, nachdem sie einen großen Spiegel vor uns drapiert hatte. „Um ja nichts zu verpassen!“

„Du glaubst also daran, dass es funktioniert?“, freute ich mich.

„Nein, aber ich will nur auf Nummer sicher gehen.“

„Okay, dann sprecht mir nach.“ Ich las die Zeilen vor, während Vera und Dina mir mit den Händen an ihren Schläfen monoton alles nachsprachen.

I want to be another person

The person I always want to be

Is it a him? Is it a her?

Change the body, find the new me.

Ein greller Lichtblitz erfüllte das Zimmer und wir mussten die Augen für einen Moment schließen. Als wir sie kurz darauf wieder öffneten, entfuhr uns allen dreien ein spitzer Schrei.

„Ihr seid ich!“, quiekte ich verblüfft.

„Ich bin du!“, kreischte Vera.

„Ich bin du!“, stellte auch Dina geschockt fest.

Tatsächlich blickten uns aus dem Spiegel drei Kims entgegen, die sich aufs Haar glichen.

„Wahnsinn … warum wolltet ihr beide ich sein?“, wunderte ich mich.

„Das wollte ich nicht!“, empörte sich Dina-Kim und raufte sich die neuen Haare. „Aah, wo sind meine schönen dunklen Haare? Nimm es nicht persönlich, aber ich fühle mich plötzlich so dumm!“ Dina-Kim war den Tränen nahe.

„Mach das wieder rückgängig – sofort! Ich will nicht du sein!“

„Das ist ja interessant.“ Vera-Kim hatte sich vom ersten Schrecken erholt und begutachtete sich eingehend im Spiegel. „Da steht wirklich Kim vor mir. Verblüffend. Ich hätte nicht gedacht, dass das klappt.“

„Ich auch nicht! Sonst hätte ich mich doch darauf nie im Leben eingelassen! Wie hältst du es bloß in diesem Körper aus?“

„He, das ist nun mal mein Körper“, empörte ich mich. „Damit bin ich sehr glücklich!“

„Schön, ich nicht! Deine Haut ist viel zu hell, deine Zähne fühlen sich komisch an und du siehst voll schlecht!“

„Echt jetzt? Denkst du, ich brauche eine Brille?“, stutzte ich. Mir selbst war noch nichts aufgefallen, Ich hatte nicht den Eindruck, schlecht zu sehen.

„Du hast recht, ich sehe auch schlechter“, stimmte Vera-Kim ihr zu. „Geh unbedingt mal zum Optiker.

„Aber verwandle mich vorher wieder zurück in mich! Ich will keine Sekunde länger Kim sein. Das fühlt sich so unangenehm an. Ich will meinen Körper wieder zurück.“ Dina-Kim brach schluchzend in Tränen aus, was sonst gar nicht ihre Art war.

„Wieso weinst du? Du trübst doch sonst kein Wässerchen“, fiel auch Vera-Kim auf.

„Auch das noch“, schluchzte sie, „ich sehe nicht nur aus wie Kim, jetzt verhalte ich mich auch noch wie sie. Das ist ja entsetzlich! Ich sollte mich in eine Ecke setzen und die Klappe halten – das würde ich dir auch empfehlen für die Zukunft!“

„Na vielen Dank auch!“ Das war ja nicht besonders nett! „Ich mag dich auch!“

„Ich mag mich sehr – wenn ich ich bin!“, setzte sie wütend hinterher.

„Ich gucke ja schon, dass ich einen Gegenzauber finde. Hastig begann ich zu blättern, doch so sehr ich mich auch bemühte, konnte ich keinen geeigneten Spruch finden. Oder sah ich einfach nur schlecht? Mist, das verunsicherte mich gerade so sehr. Ich hoffte selbst, die beiden schnellstmöglich wieder in ihre ursprünglichen Körper zu verwandeln. Länger konnte ich meinen eigenen Anblick selbst nicht ertragen. Wie musste es da Zwillingen gehen, wenn sie sich ständig selbst sahen?

„Mach was!“, wies mich Dina-Kim eindringlich an.

„Ich bin schon dabei“, teilte ich ihr genervt mit. Mann, war Dina plötzlich anstrengend! „Ich finde aber nichts, das …“ In diesem Moment klappte die Seite mit der wundervollen Überschrift „Gegenzauber“ auf. Eilig überflog ich die Zeilen. Zu meinem Entsetzen konnte man nicht jeden Zauber sofort zurücknehmen. Manche mussten sich von selbst aufheben – unser Zauber war so einer. Na super!

„Hast du was?“, bohrte Dina-Kim ungeduldig.

„Ja“, druckste ich und traute mich kaum, es laut auszusprechen. „Eine Woche“, flüsterte ich.

„Eine Woche?“, kreischte sie auf. Zumindest funktionierten meine Ohren noch einwandfrei!

„Eine Woche“, bestätigte ich ihr.

„Na dann gute Nacht! Ich werde mich so lange hier verschanzen, bis ich wieder ansehnlich bin!“ Damit zog sich Dina die Decke über den Kopf und fing an zu weinen.

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