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Women power

Kim Posse

zum internationalen Frauentag: Deine Figuren schreiben Briefe an Frauen, die sie bewundern. Welche dieser Nachrichten möchtest du mit uns teilen?

„Freundinnen, wisst ihr was? Wir sollten Briefe schreiben, um unsere tiefste Bewunderung und Dankbarkeit auszusprechen.“ Vera hatte ihre Block aufgeschlagen vor sich liegen und spielte mit dem Kugelschreiber in ihrer Hand.

„Du kannst mir doch einfach deine Bewunderung und Dankbarkeit direkt sagen“, meinte ich. „Es ist doch umständlich, extra einen Brief zu schreiben.“

Kim, du hast echt einen Knall!“ Vera schüttelte den Kopf. „Ich meine Frauen, die in die Geschichte eingegangen sind, die Großes geleistet haben, Fortschritt und Neuerungen angeregt haben. Diese Frauen sollte man ehren. Heute ist der perfekte Tag dafür: der internationale Frauentag. Frauen werden leider viel zu oft wie Dreck behandelt und einfach nicht beachtet. Erfindet ein Mann etwas, wird er gelobt wie ein Gott, erfindet eine Frau etwas, wird müde gelächelt und kaum Beachtung geschenkt. Ich verstehe einfach nicht, wieso. Ohne uns Frauen wäre die Welt nicht so, wie sie heute ist.“

Eine großartige Idee“, stimmte Dina ihr direkt zu. „Der Weltfrauentag ist ein guter Anlass, um auch die Frauen und ihre Errungenschaften zu würdigen. Aber wisst ihr, wem ich meinen ersten Brief schreibe? Meiner Mamá. Sie ist eine der wichtigsten Personen in meinem Leben.“

„Gibt es dafür nicht den Muttertag?“, wandte ich ein. Ich für meinen Teil würde meiner Mum nie einen Brief schreiben. Dafür gab es zwischen uns zu oft Streitigkeiten, die ich einfach nicht verzeihen konnte.

„Boah, Kim, das hast du nicht gerade wirklich gesagt!“, fauchte Dina. „Meine Mamá ist die größte Heldin unter den Frauen für mich. Die anderen kenne ich doch alle gar nicht persönlich. Das ist eine ganz andere Beziehung.“

Da stimme ich dir zu.“ Vera sah auf. Sie hatte bereits eine halbe Seite vollgeschrieben und ihr Stift stand noch immer nicht still.

„Schreibst du schon die Briefe?“

„Nein, ich sammle erst einmal die Namen wichtiger Frauen, denen ich unbedingt schreiben werde. Bedauerlicherweise leben nicht mehr alle, doch sie in Erinnerung zu halten ist ebenso wichtig!“

Wahre Worte“, fand Dina, die ebenfalls eine Liste anfertigte. Nur ich saß da und wusste nicht, wo ich anfangen sollte. Nicht verzagen, Google fragen!, hörte ich da eine innere Stimme, deren Rat ich augenblicklich befolgte.

Die Liste, die ich fand, brachte mich zum Schmunzeln. Auf Platz 1 stand Maria von Nazaret. Auch Kleopatra stand auf der Liste. Besonders spannend fand ich Maria Montessori, die als erste Frau überhaupt in der Pädagogik einen regelrechten Meilenstein gelegt hatte. Bis heute dominierten schließlich Männer diese Bereiche in der „Entwicklung“. Dagegen setzten überwiegend Frauen diese Ideen in die Praxis um. Weiter auf der Liste entdeckte ich Mrie Scholl und Anne Frank, die ich zutiefst bewunderte. Sie hatten beide zur Zeit des Nationalsozialismus gelebt und dort doch recht viel bewirkt oder zumindest einen bedeutenden Nachlass hinterlassen. Anne Franks Tagebuch hatten wir in der Schule einmal lesen müssen, was sehr erschreckend gewesen war. An sie wollte ich einen Brief schreiben:


Liebe Anne,

ich habe dein Tagebuch gelesen und fand es wirklich beeindruckend. Deine Geschichte hat mir regelrechte Albträume beschert. Ich weiß nicht, ob ich das durchgehalten hätte. Mit Flüchen kenne ich mich ja aus, aber was du durchmachen musstest, ist mit keinem übernatürlichen Fluch dieser Welt zu vergleichen.

Liebe Grüße

Kim Posse


„Okay, ich bin fertig. Habt ihr eure Briefe schon fertig?“

„Gleich. Ich schreibe einen Brief an Marie Curie, eine der bedeutendsten Forscherinnen überhaupt“, erklärte Vera und klärte mich erst einmal auf, was wir dieser Frau alles zu verdanken hatten.

„Und ich schreibe an Elisabeth Ⅱ., die britische Königin. Sie war die längste Monarchin auf dem Thron und einfach beeindruckend. Ich habe große Hochachtung vor ihr. Leider ist sie inzwischen verstorben.“ Dina hatte in einem englischen Akzent gesprochen. Ob sie das versehentlich getan hatte oder absichtlich, konnte ich nicht genau feststellen.

Plötzlich fühlte ich mich ziemlich dämlich, an Anne einen Brief geschrieben zu haben, die zwar eine beeindruckende Geschichte hatte, aber nicht solche Errungenschaften wie die beiden Frauen von Dina und Vera im Lebenslauf hatten. Dennoch war Anne ein beeindruckendes Mädchen, das man nie vergessen darf.

„Fertig“, sagte Vera und sah auf. „Wollen wir unsere Briefe vorlesen? Es ist ja leider unwahrscheinlich, dass auch nur eine der Frauen unseren Brief erhalten wird.“

Das stimmte, zu meiner Enttäuschung waren bereits alle verstorben.

„Lieber nicht“, wich ich schnell aus. „Wir sollten ihnen in Gedanken die Ehre erweisen.“ Auf keinen Fall wollte ich meinen Brief vorlesen. Glücklicherweise stimmten Dina und Vera zu und schlossen die Augen, um ihren Heldinnen in Gedanken zu danken.

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