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Der Ruf der Grizzlybären 02: Neue Freunde

Aktualisiert: 8. Okt. 2024

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Ricos Abenteuer geht weiter. Diesmal führt Ricos Abenteuer in die Bärenschule, worüber er alles andere als erfreut ist.

Die Fortsetzung zu „Der Ruf der Grizzlybären“ erschien am 27. März 2024, genau zwei Jahre nach Ricos erster Reise. Illustriert wurde es wieder von Tuula, die auch schon den ersten Band bebildert hat.


Klappentext

Jedes Kind muss in die Schule gehen, um etwas zu lernen. Auch kleine Bärenkinder! Rico hat sofort seine ganz eigene Meinung: „Die Schule ist blöd!“ Von Anfang an schmiedet er Fluchtpläne und findet unverhofft neue Freunde. Wird er es schaffen, seinen Lehrern zu entkommen? Was wird sein Vater dazu sagen? Und wer sind die fremden Bären, die plötzlich um die Höhle von Ricos Familie streifen?


Entdecke aufregende Orte.

Lerne in der Bärenschule.

Finde neue Freunde.


Veröffentlichungsdatum: 27.03.2024

Seiten: 220

Cover & Illustrationen: Tuula Schneider



Leseprobe

Prolog

„Was hat dieser kleine Eisbär gesagt? Schule?“, fragte Shira. Nachdenklich schaute sie Toby an.

„Ich weiß es nicht genau, aber ich habe Edward danach gefragt. Er meinte, es gäbe überall Schulen. Ich kann gucken, ob wir für Rico auch so eine Schule finden“, entgegnete er.

„Das wäre vielleicht gar nicht so schlecht. So lernt unser Kleiner auch etwas über das Leben und all die anderen wichtigen Dinge. Allerdings frage ich mich, ob er das überhaupt will“, grübelte Shira, die nicht sicher war, ob es das Richtige für ihren Sohn war.

Toby war da anderer Meinung. „Sieh es positiv. Wir haben endlich unsere Ruhe, können uns komplett auf Thekla konzentrieren und sie richtig erziehen. Vielleicht klappt es besser, wenn man sich Tag und Nacht mit ihr beschäftigt. Weil bei Rico …“

„Was willst du damit sagen?“, fuhr Shira ihn an. „Ich finde, Rico ist sehr wohlerzogen, und das meiste habe ich gemacht, vergiss das nicht! Du hast dich lieber um deine Dinge gekümmert und ihn immer mit mein Kleiner geärgert.“

„Trotzdem. Ich finde eine Schule nicht schlecht. Er kann es einfach probieren. Immerhin muss er nicht sein ganzes Leben dortbleiben. Wenn es ihm nicht gefällt, kann er – wenn es unbedingt sein muss – zurückkommen“, beschwichtigte Toby sie und verdrehte bei dem letzten Satz die Augen.

„Wenn du meinst“, fand Shira. Sie hatte das Gefühl, dass Toby ihren Sohn loswerden wollte. „Ich bin nicht davon überzeugt, dass es etwas bringen wird. Unser Sohn hat seinen eigenen Kopf. Er schlägt in dieser Hinsicht voll nach seinem Vater. Ich glaube nicht, dass er hier weggehen will.“

„So hat er immerhin etwas von mir“, rechtfertigte sich Toby.

Ich glaube auch nicht, dass er seine Hasenfreunde aufgeben will, dachte Shira, denn Toby durfte davon nichts erfahren.

„Ich kann schauen, ob sich da etwas machen lässt.“ Toby rieb sich listig seine Pranken.

Kapitel 01: Fremde Bären mit schlimmer Nachricht

Rico streunte neugierig im Wald umher und genoss den Duft der Blumen. Ein sanfter Wind wehte und durchfuhr sein Fell. Der kleine Grizzlybär hob seinen Kopf und streckte ihn in den frischen Luftzug. Sein Bauch grummelte und lenkte ihn vom Wind ab, der mit ihm zu spielen schien. Rico rieb sich seinen Bauch, der immer stärker rumorte, fast schon knurrte.

Hunger!, dachte er und wollte gerade in die Höhle zurückkehren, da es bald etwas zu fressen gab, als er einen Ast zerbrechen hörte. Erschrocken fuhr er herum und blickte sich um. Ein unbekannter Geruch stieg ihm in die Nase, den er nicht richtig zuordnen konnte. Hatte er diesen Geruch überhaupt schon einmal gerochen?

Was hatte das zu bedeuten? Er runzelte die Stirn. Das Knacken war zwar nicht laut gewesen, aber er kannte diese Art von Geräusch: Wenn ein Bär oder ein anderes großes Tier auf einen Ast trat, knackte es nur kurz und kaum hörbar, da er schnell zerbrach und die Pranke ihn unter sich begrub. Trat ein Hase auf einen Ast, brach dieser nicht komplett durch, sondern nur bis etwa zur Hälfte; das war dann ein leises Knacken, dafür länger hörbar.

Dieses Knacken stammte aber unverkennbar von einem Bären! Da war sich Rico hundertprozentig sicher. Gründlich blickte er sich um.

„Papa, ich habe dich längst bemerkt. Du kannst herauskommen. Ich lasse mich nicht erschrecken, das weißt du doch!“, rief Rico entschlossen, aber es blieb still. Seine anfängliche Hoffnung erstarb.

Doch da … da blickten ihn zwei Augen an … nein, vier.

Vier? Das kann nicht sein … das ist nicht Papa!, wunderte er sich. Rico war überfordert und von Panik erfüllt. Seine Knie wurden plötzlich weich. Sein Herz raste. Er begann hektisch zu atmen, rannte in die Höhle und versteckte sich hinter seinen Eltern.

Nein, Papa war es wirklich nicht. Er ist hier!, überlegte Rico im Stillen, immer noch mit rasendem Herzen.

„He, nicht so stürmisch“, meinte Toby lachend, „du bekommst auch etwas zu fressen. Hast du schon jemals nichts bekommen?“

„Nein … äh … doch … nein, ich meine … äh … da draußen sind zwei fremde Bären mit vier Augen“, hechelte er.

„Und?“ Shira war wenig beeindruckt. „Jeder Bär hat zwei und zusammen sind es eben vier!“

„Ja, aber …“ Kurz überlegte er. „Das stimmt!“, musste er seiner Mutter recht geben. Rico beruhigte sich allmählich wieder. Er fraß etwas und half seiner kleinen Schwester Thekla, die vor wenigen Wochen geboren worden war, die Mahlzeit in ganz kleine Stücke zu zerreißen.

Thekla durfte neuerdings schon winzige Fleischstücke fressen. Sie verschluckte sich an einem etwas zu groß geratenen Stück und musste husten, was sich wie ein röchelndes Lachen anhörte. Shira schlug ihrer Tochter sanft auf den Rücken und die kleine Bärin fasste sich wieder. Das passierte ihr ziemlich häufig, denn Fleisch war neu und ungewohnt für sie. Da konnte sie nicht so schlingen wie bei Milch oder Gras. Shira bevorzugte ohnehin vegetarisches Essen, doch Toby wollte seiner Tochter nichts verwehren.

Nach dem kleinen Schrecken erzählte der aufgebrachte Jungbär seinen Eltern von der sonderbaren Begegnung: von den vier Augen, die zu zwei fremden Bären gehörten; von dem befremdlichen Geruch und den Geräuschen.

„Vielleicht ist es meine Familie“, überlegte Toby.

„Nein, die hätte ich doch erkannt! Sie riechen anders!“, konterte Rico.

„Stimmt, das ist komisch. Ich schaue nach!“ Toby erhob sich und verließ die Höhle.


Einige Minuten später kam er mit zwei fremden Bären zur Höhle herein. Rico musterte sie und vergrößerte deutlich den Abstand zu ihnen. Er war misstrauisch, sehr sogar. Was wollten diese Bären hier?

„Hallo, ich bin Herr Ravus. Das bedeutet Grizzlybär und ist lateinisch“, stellte sich der erste Bär vor. Sein massiger Körper verdunkelte den Eingang, sodass er nur spärlich zu erkennen war. „Ich bin der Lehrer für die lateinische Sprache.“ Seine Stimme ließ Ricos Körper beben. In der Nähe des Lehrers fühlte er sich unwohl.

„Wie einfallsreich.“ Rico lachte auf und verdrehte die Augen. So ein dämlicher Name für einen Grizzlybären! Ein Grizzlybär, der Grizzlybär hieß – wenn auch in einer anderen Sprache. Was wollte dieser Lehrer bloß von ihm?

„Mein Name ist Herr Lyrik. Ich bin der Deutschlehrer in der Bärenschule“, stellte sich der andere Bär vor. Er wirkte um einiges freundlicher. Schon allein die Haltung war entspannter. Nicht wie vor dem Sprung auf die Beute, wie es bei Herrn Ravus der Fall war. Auf dem Gesicht des Deutschlehrers lag ein warmes Lächeln.

„Du kommst in die Schule, Rico“, freute sich Herr Ravus. Er setzte ein gezwungenes Lächeln auf. Freundlichkeit war wohl nicht seine Stärke, wie Rico schnell erkannte.

„Schule?“ Rico stürzte fast das Gesicht ab. Seine Augen waren so weit aufgerissen, dass sie herauszufallen drohten. Das Fell sträubte sich, seine Glieder wurden schwer wie Stein. In dieser Stellung hätte er mühelos einen Sturm überstanden, ohne sich den kleinsten Bärenschritt zu bewegen. Schule, das hatte ihm der Eisbär Eisi in der Arktis erzählt, war ein Ort, an den kleine Bären gingen, um fürs Leben zu lernen.

„Na, so schlimm wird es schon nicht werden. Vielleicht findest du neue Freunde“, munterte Shira ihn zweifelnd auf. Sie war selbst erschrocken, dass Toby sein Versprechen tatsächlich wahrgemacht hatte. Insgeheim hatte sie gehofft, dass es nur ein schlechter Scherz gewesen war.

„Sind dir meine alten Freunde etwa nicht recht?“, fragte Rico wütend, fast schreiend. Auf seine Hasenfreunde ließ er nichts kommen. Sie waren für ihn so wichtig wie eine Familie. Nein, sie waren seine Familie!

„Was hat er nur?“, wollte Herr Ravus wissen. „Schule ist doch toll!“

„Dann geh du doch dahin!“, schrie Rico aufgebracht und rannte aus der Höhle. Er wollte einfach nur weg.

„Ja, mein Kleiner, mit dir.“

Rico blieb entrüstet am Eingang der Höhle stehen. Jetzt nannte ihn dieser fremde Bär auch noch mein Kleiner. Erstens gehörte er sich selbst und zweitens war er nicht mehr klein! Das hatte er auch seinen Eltern erklärt, die es fast verstanden hatten – zumindest Toby. Shira hatte es schon vor langer Zeit beherzigt. Und jetzt tauchte dieser fremde Bär einfach auf und nannte ihn mein Kleiner. Rico war fassungslos.

„Vergiss es!“, spuckte er dem Fremden jedes Wort mit solcher Abscheu entgegen, dass er kaum noch atmen konnte.


„Nur zur Probe! Aber ich sagte nur zur Probe!“, knurrte Rico schließlich, der sich geschlagen gab. Die erwachsenen Bären hatten ihn über zwei endlos lange Stunden bearbeitet. Gemeinsam hatten Toby und die Lehrer auf ihn eingeredet, während sich Shira lieber um Thekla gekümmert hatte. Sie wollte sich heraushalten.

„Ausgezeichnet“, strahlte Herr Lyrik.

„Nur eine Woche! Keine Sekunde mehr!“, zischte Rico. Ich werde vorher jede Möglichkeit nutzen, um abzuhauen. Die sind doch nicht ganz normal … Schule! Bei meiner Pranke, warum soll ich da hingehen?, jammerte er im Stillen. Er schmiedete bereits einen Fluchtplan, während er noch in der Höhle stand.

„Tschüss, Rico“, schluchzte Thekla und umarmte ihren großen Bruder. Sie war froh, dass sie ihn hatte. Mittlerweile verstanden sich die beiden Jungbären viel besser als am Anfang. Ihr rollten ein paar Tränen über die Wangen und tropften auf den Boden. Auch Rico musste das Weinen unterdrücken. Er wollte keine Schwäche zeigen. Nicht vor seinem Vater. Diese Genugtuung gönnte er ihm nicht.

Thekla drückte ihren großen Bruder so fest sie nur konnte an sich. Sie wollte ihn nicht loslassen, nicht hergeben; sie wollte ihn nicht verlieren.

„Tschüss, Thekla. Ich werde dich auch vermissen. Aber in einer Woche bin ich wieder zurück“, meinte Rico zuversichtlich. Er hatte es so laut gesagt, dass die Erwachsenen ihn gut hören konnten. „Oder auch schon früher“, fügte er leise hinzu, dass es keiner außer ihm selbst hörte.

„Komm“, forderte Herr Lyrik ihn sanft auf.

Rico funkelte seine Eltern wütend an und trottete hinter seinen beiden zukünftigen Lehrern, Herr Lyrik und Herr Ravus, her. In Shiras Augen konnte er ein Schuldgefühl und Trauer sehen, doch Toby blieb regungslos. Er schien überglücklich.

Noch nicht einmal von den Hasen hatte er sich verabschieden können – seinen Freunden, von denen nur seine Mutter wusste. Die Möglichkeit, seine Schwester den Hasen vorzustellen, hatte sich noch nicht ergeben. Sie war noch zu klein, um sich so weit von der Höhle zu entfernen. Auch beobachteten Toby und Shira sie immer, sodass es fast unmöglich war, unbemerkt zu den Hasen zu gelangen.

Kaptitel 02: Kleiner Quälgeist

Nach kurzer Zeit blieb Rico stehen. „Mir ist der Weg viel zu weit!“, nörgelte er.

„Rico, wenn es sein muss, trage ich dich“, erbarmte sich Herr Ravus. Er hatte Erfahrung mit kleinen, lauffaulen Bären. „Wir wollen nicht, dass du zu wenig Schule hast und sie hasst!“ Er war beeindruckt von seinem Wortspiel, doch nicht einmal sein Kollege Herr Lyrik, der gern reimte, zeigte die kleinste Reaktion.

Du nicht, aber ich!, dachte Rico griesgrämig und stieg trotzdem auf den Rücken seines zukünftigen Lehrers. Diese Chance konnte er sich nicht entgehen lassen. Warum laufen?, dachte er und musste in sich hineinlachen. Soll der mich doch tragen, wenn er unbedingt will, dass ich in die Schule komme.

„Rico, kannst du bitte aufhören, mir andauernd deine Krallen in die Seite zu drücken?“, sagte Herr Ravus freundlich. Rico bohrte allerdings nach kurzer Zeit weiter.

„Kannst du aufhören, mir andauernd in den Rücken zu beißen?“, murrte Herr Ravus etwas genervt. Doch Rico hörte nicht auf.

„Hör endlich damit auf, mir ständig in die Seite zu treten!“, brummte Herr Ravus schon deutlich lauter. Das störte Rico allerdings nicht. Munter machte er weiter.

„Hör verdammt noch einmal damit auf, mir auf dem Rücken herumzuhüpfen!“, knurrte Herr Ravus wütend. Er musste sich beherrschen, um nicht komplett auszurasten. Rico jedoch blieb unbeirrt.

„Du hörst auf der Stelle auf, mir an den Ohren herumzuknabbern!“, schrie Herr Ravus aggressiv. Rico ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.

„Hör verflixt noch einmal auf, mir mit deiner Pranke auf dem Kopf herumzuhämmern!“, brüllte Herr Ravus so aufgebracht, dass er fast zu platzen schien.

„Rico! Obsecro ira! Nervus bundles!“ Ohne es zu bemerken, war er ins Lateinische verfallen. Er hatte sich angewöhnt, auf Latein zu fluchen. So klang es nicht so schlimm und außerdem verstanden es nicht viele.

Rico probierte alles Erdenkliche, um seinen zukünftigen Lehrer zu verärgern. Er wollte es so weit treiben, dass dieser ihn vor Wut zurückbrachte. Doch leider hatte er keinen Erfolg. Unermüdlich setzte Herr Ravus seinen Weg fort. Er brachte ihn nicht zurück zu Thekla, Toby und Shira … und seinen Freunden, den Hasen, denen er noch nicht einmal Auf Wiedersehen hatte sagen können.

Vielleicht war es auch besser so. Bei einem langen Abschied hätte er nur noch schwerer gehen können und vielleicht hätten Toby und die Lehrer dann die Hasen entdeckt.

Als er nach einer halben Ewigkeit zu schwer wurde, erbarmte sich Herr Lyrik und nahm den kleinen Quälgeist, zum Gefallen seines Kollegen, auf den Rücken. Bei ihm blieb Rico jedoch still sitzen, da er ihn nett fand.

Herr Lyrik ist echt freundlich, aber der Ravus, dieser Fusselkopf, redet nur so einen Quatsch. Von wegen: ‚Ich bin Herr Ravus und Ravus heißt Grizzlybär‘. Da würde er Herr Grizzlybär heißen, spottete Rico stumm. Er fand es ziemlich lächerlich. Von Anfang an hatte er diesen Ravus nicht leiden können, doch Herr Lyrik schien um einiges erträglicher zu sein.

Bald darauf schlief er auf Herrn Lyriks Rücken ein. Dieser sang ihm gerade ein Lied, das sehr beruhigend war. Ein singender Deutschlehrer war auch nicht schlecht!


Wir gehen auf die lange Reise,

Manchmal laut und selten leise.

Alle Tiere lieben uns, alle aus dem Walde,

Und wenn ich ein schönes Echo sing‛,

Es laut zurückerhalle,

Es laut zurückerhalle!


Nun geht es auf die lange Reise,

Auf unsre eig‘ne Art und Weise.

Und schlafen wir auch einmal ein,

Träumen wir viel von daheim.

Aber von der Schule auch,

Aber von der Schule auch!


Ist der Unterricht zu schaffen,

Gibt es auch stets viel zu lachen.

...


Er wurde immer leiser und summte schließlich nur noch die Melodie des Liedes, das er selbst gedichtet hatte. Bald verstummte er komplett und lauschte dem gleichmäßigen Atem von Rico. Er musste grinsen.

„Ravi, so schlimm ist der Kleine gar nicht“, fand er.

„Doch!“, wehrte dieser ab. „Du bist halt ein elender Schleimer. Du mit deinem blöden Gesinge! Und nenne mich nicht Ravi! Ich heiße Herr Ravus, das ist Lateinisch und bedeutet Grizzlybär.“ Er streckte seine Brust stolz heraus.

„Übermut tut selten gut!“, belehrte Herr Lyrik. „Vielleicht mag dich darum niemand. Denk über meine Worte nach.“

„Lyri, ich bin nicht übermütig“, beschwerte sich Ravus. Ehe er ausgesprochen hatte, knallte er gegen einen dicken Fichtenstamm, der ihm unverschämterweise im Weg stand.

„Doch! Mich darfst du gern Lyri nennen, das stört mich nicht. Es gefällt mir sogar. Lyrik ist auch lateinisch und bedeutet Gedicht.“ Er schmunzelte und sah zu, wie sich Ravi aus dem Baum schälte. Ich habe zwar keine Ahnung, ob das stimmt, aber seinen Zweck hat es erfüllt.

„Du eingebildeter … Dichter“, bekam Herr Ravus gerade noch so hervor. Sein Kopf tat ihm weh, doch das wollte er seinem Kollegen nicht zeigen, sonst hätte dieser ihn nur noch mehr ausgelacht. Er wollte seinen Stolz um jeden Preis wahren.

Den Rest des Weges schwieg er. Er wolle Rico unter keinen Umständen wecken, hatte er als Aussage hervorgebracht, auf die Herr Lyrik einen weiteren Lachanfall bekam.

Wenn Rico schlief, schlief er wie ein Stein. Ihn konnte man nicht so leicht wecken. Nur bis er schlief, konnte es sehr lange dauern.




Wie würde wohl die Weihnachtsgeschichte mit einem Weihnachtsbären anstatt dem Weihnachtsmann aussehen? Der größte Wunsch des kleinen Grizzlys Schnuppe ist es, einmal mit dem Weihnachtsbären Geschenke an andere kleine Tiere zu verteilen. Und wann werden Wunder wahr, wenn nicht zur Weihnachtszeit? Grizzly-Mama Shira erzählt ihren Kindern eine Geschichte zum Einschlafen. Sie weiß, dass es den Weihnachtsbären nicht gibt, doch was ist das? Am nächsten Morgen liegen tatsächlich frische Kräuter und Beeren vor ihrer Höhle. Ob es den geheimnisvollen Weihnachtsbären etwa doch gibt?

Schnuppe und das Weihnachtswunder

Es war einmal ein kleiner Grizzlybär, der hatte einen großen Wunsch. Dieser Wunsch war so groß, dass er jede Nacht davon träumte und er sich nichts sehnlicher wünschte. Morgens saß er da und dachte an seinen Wunsch. Mittags lief er umher und dachte an seinen Wunsch. Abends kehrte er zu seiner Höhle zurück – und dachte unentwegt an seinen Wunsch. Nachts träumte er von seinem Wunsch. Er wünschte sich, dass er einmal mit dem Weihnachtsbären Geschenke verteilen dürfe, um anderen kleinen Tieren eine Freude zu bereiten. Mehr wollte er nicht.

Dieser kleine Grizzlybär war ein herzensgutes Geschöpf und tat niemandem etwas Böses. Er teilte sein Fressen mit seinen Geschwistern und spielte mit ihnen glücklich im Wald.

Doch eines Tages – es war Winter und der Schnee lag sehr hoch – gingen die Vorräte zur Neige, und der kleine tapfere Grizzlybär gab seine eigene kleine Portion an seinen kleinsten Bruder ab. Sonst wäre dieser gestorben. Er war noch nicht stark genug, um allein durch den Winter zu kommen. So hatte der Grizzlybär – er hieß Schnuppe – nichts mehr zu fressen und musste hungern. Aber das tat er sehr gern, denn er liebte seinen kleinen Bruder über alles und wollte für ihn nur das Beste. Er liebte seine Geschwister mehr als sich selbst. Als dann alle anderen Bären in die Winterruhe fielen und einigermaßen genährt waren, um den Winter gut zu überstehen, war Schnuppe der Einzige, der noch Hunger hatte und nicht schlafen konnte. Also lief er aus der warmen Höhle hinaus und wollte sich etwas zu fressen suchen. Sonst wäre es sein sicherer Tod gewesen. So lief Schnuppe durch den Wald und suchte nach Wurzeln und Beeren, die vielleicht die Kälte bis jetzt noch überlebt hatten, doch er hatte kein Glück. Der Schnee hatte alles bedeckt und nichts war zu sehen. Er lief immer tiefer in den Wald. Ohne Erfolg scharrte er immer wieder kleine Löcher und suchte verzweifelt nach etwas Essbarem. Sein selbstloses Handeln schien ihm letztendlich zum Verhängnis zu werden. Ohne Futter würde er sterben, da halfen auch seine guten Taten nicht.

Als er lange Zeit vergebens suchte, beschloss er, nach Hause zu gehen, damit er nicht erfror. Im schlimmsten Fall würde auch Erde seinen Hunger stillen. Wenn er etwas gefrorenen Waldboden ins Warme brachte, müsste es gehen. Er wollte seinen Spuren folgen, doch sie waren bereits mit Neuschnee bedeckt. Der starke Schneefall hatte ihm den Rückweg verwischt und so fand er nicht mehr zurück. Ihm war mittlerweile schrecklich kalt. Schon fast erfroren, entkräftet und hungrig brach er unter einer großen Tanne zusammen. Dort blieb er liegen. Er wusste nicht mehr, wo er hätte hingehen können. Sein Magen knurrte und er zitterte am ganzen Leib. Verzweifelt versuchte er, sich an die schönen Momente in seinem Leben zu erinnern, um sich abzulenken, doch das half nichts. Seine Gedanken schweiften immer wieder kurz ab, doch der Hunger war nicht zu vergessen. Und wie er da so lag, hörte er plötzlich ein leises Hämmern, das ganz aus der Nähe zu kommen schien. Es war zwar leise, dennoch gut hörbar. Als er den Kopf hob, fiel ihm auf, dass er vor dem Eingang eines Baus lag. Schnuppe stand auf und lugte vorsichtig hinein. Aus dem Inneren kamen weitere Geräusche, doch kurz darauf verstummten sie. Es war mucksmäuschenstill. Dann vernahm er leise Schritte. Ein aufgebrachter Waschbär kroch aus dem Bau heraus.

„Du drückst den ganzen Schnee in mein Zuhause!“, wetterte er. „Es … es tut mir schrecklich leid. Das wollte ich wirklich nicht“, versicherte Schnuppe schnell, was auch die Wahrheit war. Er wollte niemandem schaden. Der Waschbär besah sich den jungen Bären genau, dann hellte sich seine bis dahin grimmige Miene schlagartig auf. Mit freundlicher Stimme fragte er: „Bist du nicht Schnuppe? Du hast meiner Tochter letzten Frühling das Leben gerettet, als sie in eine Flut aus Schmelzwasser geraten ist.“ Schnuppe nickte zustimmend. „Kann ich als Zeichen meiner Dankbarkeit irgendetwas für dich tun?“, erkundigte sich der Waschbär. „Ich will dir nicht zur Last fallen. Du hast wahrscheinlich selbst nicht genug zu fressen. Wenn ich mich nur kurz bei dir aufwärmen und ein wenig schlafen könnte, wäre mir schon genug geholfen. Dafür wäre ich dir ewig dankbar.“ „Sei nicht so bescheiden. Du bist der Lebensretter meiner Tochter. Wir Waschbären sammeln immer das ganze Jahr über Fressen, das in unseren Höhlen lagert. Du kannst gern etwas davon abhaben. Damit kann ich mich bei dir bedanken“, bot er an.

Schnuppe nahm dieses Angebot dankend an. Er war froh, eine rettende Unterkunft gefunden zu haben. Länger hätte er in dieser Kälte nicht durchgehalten. Der Waschbär verschwand kurz in einem Nebengang, dann kam er vollgepackt zurück. Sämtliche Beeren und Kräuter lud er neben Schnuppe ab, bei deren Anblick ihm schon das Wasser im Maul zusammenlief. Fleisch hatte er keines, denn keinem Tier stand es zu, ein anderes zu fressen. Dafür setzte sich Santa Tatze ein. „Du musst wissen“, erklärte der Waschbär, „ich bin der Weihnachtsbär und verteile Nüsse und andere Kleinigkeiten an die Waldtiere. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn ich nicht genug Nahrung gesammelt hätte. Für genau diese Fälle bin ich da. Kein Tier soll im Winter hungern.“ Als Schnuppe das hörte, fiel ihm das Fressen aus dem Maul und er glotzte den Waschbären sprachlos an. „D-du bist der Weihnachtsbär? Du bist Santa Tatze?“ „So wahr ich vor dir stehe!“ Er grinste breit. „Lieber Santa, ich habe eine Bitte an dich“, brachte Schnuppe schüchtern hervor. „Und die wäre?“ Die Freundlichkeit und Wärme in Santas Stimme schien auf Schnuppes Körper überzugehen und ihn von innen zu wärmen. „Mein größter Wunsch ist es, Santa Tatze beim Verteilen der Geschenke an die Waldtiere zu helfen.“

„Das ist wahrhaftig sehr nett. Du wärst mir eine große Hilfe“, fand der Waschbär. Schnuppe konnte sein Glück kaum fassen. Er durfte Santa Tatze tatsächlich helfen. Er hatte sich ihn also nicht nur eingebildet, Santa Tatze gab es wirklich. Er stand direkt vor ihm. „Mein lieber Schnuppe, wie du sicherlich weißt, habe ich die Mäuse, Raupen, Vögel und Schmetterlinge gebeten, mir von den Tieren zu erzählen. Wie jedes Jahr schreibe ich mir eine Liste mit artigen und unartigen Tieren. Du hast immer nur Gutes getan und nie jemanden geärgert. Deinem jüngsten Bruder hast du deine letzte Mahlzeit überlassen und du hilfst den anderen Tieren, wo du nur kannst. Du stehst bei mir – wie jedes Jahr – auf meiner Artig-Liste an erster Stelle. Es wäre mir eine große Ehre, wenn gerade du mich begleitest. Ich weiß auch, dass es dein größter Wunsch ist. Und wann erfüllen sich Wünsche besser als an Weihnachten?“ Verschwörerisch blinzelte er dem kleinen Grizzlybären zu, dessen Herz rein und offen für alle Tiere war. Dieser junge Bär war genau der Richtige, den er schon lange gesucht hatte – nun hatte er ihn gefunden. „Die kleinen Tiere haben wirklich alles gesehen?“, staunte Schnuppe. „Sie sind überall. Ihre Augen und Ohren sehen und hören alles.“

So durfte Schnuppe mit dem Weihnachtsbären Santa Tatze Geschenke an die Tiere des Waldes verteilen und wurde als Gehilfe von Santa Tatze von nun an Santa Tätzchen genannt. Mit der Zeit wurde auch der kleine Bär Schnuppe überall bekannt und alle Tiere liebten ihn. Die Erwachsenen erzählten ihren Kindern Geschichten über ihn. Santa Tatze verteilte viele Jahre lang mit der treuen Hilfe von Schnuppe – Santa Tätzchen – Geschenke an die großen und kleinen Tiere des Waldes. Schnuppe begann, sich um die Artig- und die Unartig-Liste zu kümmern. Er schrieb auch die Listen, in denen festgelegt wurde, welches Tier was und wie viel bekommen sollte. Allerdings schummelte er ab und zu ein paar Tiere von der Unartig-Liste auf die Artig-Liste, da sie ihm leidtaten. Santa Tatze sagte dann immer nur: „Schnuppe, dein Herz ist einfach viel zu groß für dich kleinen Kerl.“ Das machte Schnuppe natürlich sehr stolz. Nun war der alte Santa Tatze ein allerletztes Mal am Weihnachtsfest der Weihnachtsbären, das immer nach Weihnachten gefeiert wurde, dabei. Er ernannte Santa Tätzchen zum neuen Santa Tatze. Schnuppe wusste nicht, was er sagen sollte. Er war überwältigt vor Freude, diese ehrenvolle Aufgabe des Santa Tatze zu übernehmen. Aber er wusste auch, dass er den alten Santa Tatze nie wieder sah. Wurde ein Weihnachtsbär zu alt und zu langsam für seine Arbeit, ernannte dieser einen Nachfolger und zog sich zum ewigen Frieden in seine Höhle zurück. So war es Brauch unter den Weihnachtsbären und auch dieser Santa Tatze wollte nichts daran ändern. Er hätte die Möglichkeit dazu gehabt, denn er konnte die Regeln und Bräuche so ändern, wie er es für richtig hielt.

Dennoch war Schnuppe, der jetzt Santa Tatze war, der glücklichste Bär von allen und nahm seine Aufgabe sehr ernst. Zusammen mit den anderen Weihnachtsbären, von denen jeder einem anderen Wald zugeordnet war, feierte er noch drei volle Tage. Dieses Fest würde sich für ihn genau dreißigmal wiederholen, bis auch er seinen Nachfolger ernannte und selbst in den Ruhestand ging. Seinen Geschwistern brachte er jedes Jahr eine besondere Überraschung, um zu beweisen, dass es Santa Tatze wirklich gab. Denn Glaube ist in solchen Zeiten weitaus mächtiger als Wissen. Sie hatten ihn seit dem Winter seines Verschwindens nicht mehr gesehen. Die Mutter befürchtete, dass ihr geliebter Sohn nicht überlebt hatte, doch die alljährlichen Geschenke machten ihr Hoffnung. Und wenn Schnuppe, der tapfere Santa Tatze, nicht bereits einen neuen Weihnachtsbären ernannt hat, dann verteilt er noch heute glücklich und zufrieden die Geschenke und sucht sich vielleicht schon einen Gehilfen, der auch ihn irgendwann einmal ablösen wird.


Interview

Auf Instagram interviewte mich die liebe Gila zu meinem neuen Buch.


Hallo liebe Bookies, wer von Euch hat Kinder oder Enkelkinder? Dann ist das nun folgende Buch bestimmt für Euch interssant, denn heute gibt es im Rahmen der #Selfpublisher_Juwelen ein Kinder-buch. Der Ruf der Grizzlybären 02: Neue Freunde heißt das Buch, in dem @niklas.boehringer.autor die Abenteuer des kleinen Grizzlybären Rico humorvoll weiterführt. Es ist eine Geschichte für Kinder ab ca. 8 Jahren. Im März 2022 erschien sein Debüt „Der Ruf der Grizzlybären 01: Das große Abenteuer“ und im November des gleichen Jahres „Der Ruf der Grizzlybären: Abenteuer in der Arktis“. Niklas ist 2003 in Karlsruhe geboren. Er schreibt Geschichten seit der Grundschule und hat sich mit seinem ersten Buch „Der Ruf der Grizzlybären – Das große Abenteuer“ einen langen Traum erfüllt. Warum Niklas Kinderbücher schreibt, hat er mir in unserem kleinen Interview verraten. Doch das ist längst nicht alles, was es über ihn zu erzählen gibt.

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