top of page

Die Bürde des Königs (#ganzdeinerede)

Aktualisiert: 30. Apr.

Mit der Idee, eine Fortsetzungsgeschichte zu schreiben, gab ich der Geschichte zu #ganzdeinerede von @crgorr_creative und @r.l.knippen_books den Titel „Die Bürde des Königs“, die mit jedem Satz alle zwei Wochen wachsen wird.

(der neue Teil wird jeweils fettgedruckt)




👑 Die Bürde des Königs 👑

Ich glaube schon“, murmelte er und konnte es noch immer nicht ganz glauben. „Und wie es aussieht, habe ich keine Wahl.“ Der junge Thronfolger starrte auf den Brief, der ihn soeben ereilt hatte. Er verkündete die traurige Botschaft des Ablebens seines Vaters. Der König, hatte den Krieg nicht zu seinen Gunsten entscheiden können. Nun lag es an ihm, die Bürden der Krone auf sich zu nehmen und das Land zu retten.

Mit Tränen in den Augen brach seine Königin Mutter vor ihm zusammen. „Bereits als der Bote erschienen war, hatte ich kein gutes Gefühl. So einfach könnte es sein, König zu werden, doch unter diesen Umständen ist es wahrlich kein gutes Omen, die Krone des Reiches aufgebürdet zu bekommen.“ Die Königin wusste um den Schmerz, den ihr Sohn in diesem Moment verspüren musste. Ihr selbst stach er wie ein Dolch in die Brust. Dennoch galt es gerade ihr, in diesem schweren Moment Haltung zu bewahren und Stärke zu zeigen. Trauern konnte sie hinter verschlossener Tür, doch ihr Sohn und ihr ganzes Reich brauchten sie jetzt.

„Mutter, ich kann das nicht“, wimmerte der Prinz, doch er hatte keine andere Wahl.

Verdammt noch mal!“, ermahnte die Königin ihren Sohn. „Jetzt dürfen wir nicht zerbrechen. Es steht uns nicht zu, in dieser schweren Zeit klein beizugeben. Genau das beabsichtigt der Feind. Wir dürfen ihn nicht siegen lassen!“

„Ihr habt ja recht, Mutter“, sah der Prinz ein. Er richtete sich auf und wischte sich die Tränen trocken. Der junge Thronfolger atmete einmal tief durch, nahm wieder Haltung an und stand seinem Schicksal nun gefasst entgegen. Etwas anderes blieb ihm ohnehin nicht übrig. „Verkündet dem Volk“, befahl er einem Diener, „dass morgen sein neuer König in die Dörfer reisen wird. Ich will mich ihm zeigen und gemeinsam mit ihm um unseren König trauern. Das Volk braucht seinen König vor allem in dieser schweren Zeit mehr denn je.“

„Eine weise Entscheidung, mein Sohn. Ich werde dich selbstverständlich begleiten.“ Die Königen bemühte sich, ebenfalls Haltung zu bewahren.

„Ihr seid wahrlich tapfer“, lobte der Diener. „Ihr werdet Eurem Volk ein weiser, gütiger und gerechter König sein, ganz nach dem Vorbild, wie es einst Euer Vater war.“

„Habt Dank.“ Der Prinz nickte mit dem Kopf und ein Lächeln huschte über seine Lippen.

Gemeinsam schaffen wir alles“, sprach die Königin sich und ihrem Sohn Mut zu.

Im Hof stand bereits die Kutsche bereit, der Kutscher saß auf dem Kutschbock, die Pferde waren eingespannt. Alles vorbereitet, um zum Volk zu fahren und ihm die tragische Nachricht vom Fall seines Königs mitzuteilen und mit ihm zu trauern.

Der Prinz zog mit zitternden Fingern die mit Rüschen besetzen Gardinen vor die Fenster. Er wollte gerade nichts sehen. Zu groß war die Furcht vor dem, was ihm nun bevorstand.

Mit einem sanften Ruck setzte sich die Kutsche in Bewegung. Das gleichmäßige Klappern der Hufe auf dem kiesigen Untergrund beruhigte ihn tatsächlich etwas.

„Mutter, schaut nur, wie ich zittere.“ Der Prinz streckte seine Hand aus und reichte sie der Königin. Diese griff danach und strich ihm sanft darüber.

„Sei unbesorgt, mein Sohn. Ich bin bei dir und werde dich nie im Stich lassen. Wir verkünden gemeinsam unserem Volk die traurige Botschaft.“

„Habt Dank.“ Schwer atmete der Thronfolger aus, dem diese bevorstehende Aufgabe das Herz bis zum Halse schlagen ließ. Jedes Mal, wenn die Kutsche ruckelte, schien es für einen Schlag auszusetzen, bevor es rasend weiter schlug – noch hastiger, noch schneller, als wolle es fliehen.

Der Prinz nickte mit dem Kopf und ein Lächeln huschte über seine Lippen.


*


Mir fehlt die Kraft“, gestand er, als sie sich dem Ziel näherten. Er spürte, wie der Angstschweiß seine Finger nassmachte.

„Nun haben wir unser Ziel gleich erreicht, das Volk erwartet Eure Ankunft!“, redete ihm die Königin ins gewissen. Sie konnte gut verstehen, wie unangenehm das für ihren Sohn, den Kronprinzen und nun König, sein musste. Ja, selbst ihr wurde es flau um Magen.

Die Kutsche hielt und der Kutscher öffnete die Tür. Helles Sonnenlicht blendete den Prinzen, als er aus der abgedunkelten Kutsche ausstieg und über einen eigens führ ihn freigeräumten Weg lief, der ihn zu einem Pult führte.

Da hatten die königlichen Boten ganze Arbeit geleistet. Das ganze Dorf war anwesend. Neugierige Blicke folgten ihm. Noch wusste keiner der Bauern und einfachen Leute, wie es um den König stand und was der Kronprinz zu verkünden hatte. Nicht besser wissend, applaudierten sie ihm sogar zu. Der Kronprinz war für seine Güte und Warmherzigkeit weit über sein Land hinaus bekannt. Dass er nun so freudig empfangen wurde, war also kein Wunder. Das würde es ihm vielleicht auch erleichtern, seine Bürde zu tragen. Er wusste, sein Volk würde ihn unterstützen, akzeptieren und feiern.

Die Königin stieg ebenfalls aus der Kutsche. Auch ihr wurde zugejubelt, jedoch bei Weitem nicht so euphorisch wie dem jungen Thronfolger. Sie hielt sich bewusst im Hintergrund, um dem Volk zu signalisieren, dass nicht sie sondern ihr Sohn die Ansprache halten würde.

Der Kronprinz betrat das provisorisch zusammengebaute Podest und ließ seinen Blick über die Leute schweifen. Nein, sie hatten keine Ahnung, was er zu verkünden hatte. Wie würden sie wohl diese erschreckende Botschaft auffassen?

„Mein liebes Volk, liebe Kinder, Frauen und Männer. Ich spreche heute nicht grundlos zu euch. Ich habe“, er musste schlucken, „etwas zu verkünden, das mir äußerst schwerfällt zu sagen.“ Für einen Moment musste er die Augen schließen. Sein Mund war staubtrocken und ihm wurde schwindelig. Alles begann sich, um ihn zu drehen.

Seine Mutter bemerkte dies glücklicherweise rechtzeitig und eilte ihrem Sohn zur Hilfe. Sie stützte ihn, bis er wieder allein stehen konnte.

„Danke“, hauchte er seiner Mutter zu. Er fasste sich, richtete sich auf und wandte sich abermals an die Bürger seines Königreiches: „Mein liebes Volk“, setzte er erneut an, „es fällt mir schwer, euch von dieser erschreckenden Neuigkeit zu berichten, doch es ist meine Aufgabe …“

Kann man das auch anfassen?“, erklang die unschuldige Stimme eines Kindes. Es bückte sich gerade nach einer Blume, die dort zu seinen Füßen im Staub lag. Schnell sorgte die Mutter dafür, dass der Prinz in Ruhe weitersprechen konnte. Diese kindliche Unschuld brachte diesen zum Lächeln. Es bestärkte ihn, seine Pflicht auszusprechen.

Dennoch kamen dem Prinzen die folgenden Worte nur schwer über die Lippen, als er seinem Volk erzählte, dass der König – sein ehrenwerter Vater – heldenhaft in der Schlacht gefallen war, und nun er selbst der neue König sei.

Es herrschte anhaltende Stille.

Unglauben und Entsetzen lag in den Gesichtern der Leute. Doch dann ertönte aus den hinteren Reihen ein Ruf, dem sich schnell die übrigen Menschen anschlossen: „Lang lebe unser neuer König.“

Der Kronprinz brach fast zusammen. Er freute sich, dass sein Volk ihn akzeptierte, doch das bedeutete ebenso, dass nicht länger sein Vater, sondern er sich um all diese Menschen kümmern musste. Sich um ihr Wohlergehen sorgen. Ihre Steuern eintreiben lassen.

Anerkennend klopfte ihm seine Mutter auf die Schulter. „Siehst du, ich habe dir gesagt, du schaffst das.“ In ihrer Stimme war spürbar die Erleichterung zu hören, die nicht nur von ihrem Sohn wie eine zentnerschwere Last wich.

Allein das Zuhören war ihr unendlich schwergefallen. Sie konnte sich nicht ausmalen, wie sich ihr Sohn bei dieser grausamen Aufgabe gefühlt haben musste. Sowohl aus Erleichterung, dass er es geschafft hatte, als auch aus Überforderung der Gefühle, stiegen ihr Tränen in die Augen, die sie nicht mehr zurückhalten konnte.

„Nicht weinen, Mutter“, versuchte der Prinz sie aufzumuntern. „Das Volk steht hinter mir, ich bin bereit, diese Aufgabe zu übernehmen.

Und das tat er auch. In den folgenden Tagen besuchte der Kronprinz die umliegenden Dörfer und teilte ihnen die neue Kunde mit. Zwar zerriss es im jedes Mal vor Trauer das Herz, doch von Mal zu Mal wurde es erträglicher. Die Menschen halfen ihm, diese Trauer durchzustehen. Allesamt zeigten dieselbe Reaktion: Anfängliches Staunen und Entsetzen verwandelte sich bald in große Freude und Zurufe der Begeisterung, fortan den Prinzen als ihren König zu haben.

So kehrte der Kronprinz als künftiger König zurück ins Schloss, in dem die Krone bereits auf ihn wartete, sein zu werden. Der Thron, von ihm bestiegen zu werden. Die Diener, seine Befehle entgegenzunehmen. Das Land, von ihm regiert zu werden.

Lass es mich spüren, o Herr, dass ich diese Aufgabe gerecht und zum Wohle meines Volks erfüllen werde“, betete der Kronprinz auf dem Rückweg zum Schloss. „Ich will ein gütiger und wohlwollender und verantwortungsbewusster König sein. Beliebt und unterstützt vom Volk.“ Er hoffte auf ein überirdisches Zeichen, das ihn ermutigen sollte. Eines, das ihm zeigte, dass er nicht allein war. Der junge König schloss sein Gebet und schickte es mit den Worten „O allmächtiger Gott, steh mir bei. Amen.“ in den Himmel.

Als die Kutsche auf dem Schlosshof hielt, stieg er aus, streichelte die schnaubenden Rösser, deren Nüstern bebten.

„Danke“, flüsterte er dem Tier ins Ohr. „Gebt den Pferden Heu und Wasser. Sie sind müde von der Reise“, befahl er. Eher wollte er nicht das Schloss betreten. Der Kronprinz sorgte sich stets um seine Tiere und würdigte sie. Das sah er als seine Pflicht an, die selbstverständlich sein sollte.

Wie er das Eingangstor durchschritt, verbeugten sich die Diener und Mägde tief vor ihrem künftigen König. Dieser lächelte und nickte ihnen zu. Wertschätzung und Dankbarkeit zählte für ihn zu den wichtigsten Tugenden, die er vertrat. Und das wollte er, angefangen mit den Tieren, ausnahmslos jedem zuteilwerden lassen.

„Königliche Hoheit.“ Der engste Berater seines Vaters, der bald auch sein Berater sein würde, – dieser kannte den Prinzen seit dem Tag seiner Geburt – stürmte die große Treppe hinab. So stellte die Krönung auch für ihn eine ganz besonderes Ereignis dar. „Königliche Hoheit, Eure Krönung soll schon morgen vollzogen werden. So verlangt es das Gesetz. Das Reich muss geführt werden, es braucht einen König, es braucht Euch, erhabene Hoheit.“

Dem Kronprinzen ging das noch immer alles viel zu schnell. Er hatte noch nicht ganz verarbeitet, dass künftig nun wirklich er der König sein würde. Ja, er hatte es seinem Volk verkündet, doch was dies wirklich für ihn bedeutete, hatte er weitestgehend verdrängt. Vorerst hatte er seine Pflicht erfüllen wollen, doch nun galt es ihm, die Krone zu empfangen und sein königliches Erbe anzutreten. Sein Erbe, das ihm aufbürdete, ein ganzes Reich zu regieren.

„Schon morgen?“, stutzte er. Gewusst hatte er es, nur noch nicht begriffen, was das für ihn bedeutete. Der morgige Tag sollte der Tag für ihn sein, an dem er das königliche Zepter überreicht und die Krone aufgesetzt bekommen sollte. Ein ganz besonderer Tag, den er sich nicht weit genug in die Zukunft hätte wünschen wollen.

„Ihr wisst, königliche Hoheit, solltet Ihr etwas brauchen, werde ich immer zur Stelle sein“, erinnerte der Berater seinen neuen König.

„Habt Dank, Ihr seid mein wertvollster Berater und Freund – auch der der ganzen Familie. Was würde ich nur ohne Eure Treue tun?“

Doch bevor all dies vonstatten gehen sollte, brauchte der Kronprinz einen Moment für sich, um das Erlebte zu verarbeiten. Sobald er für einen Moment in Ruhe in seinem Gemach saß und all die heutigen Aufgaben von ihm abfielen, die ihn unter Stress am Funktionieren gehalten hatten, holten ihn die Gedanken ein und er konnte seine Tränen nicht mehr zurückhalten.

Eine Flut an Emotionen übermannte ihn und verschluckte ihn vollständig, aus der er für einen Moment nicht mehr zu entrinnen vermochte. Tränen rannen über seine Wangen, klägliches Schluchzen entschlüpfte seiner Kehle, seine Hände zitterten, sein Körper bebte.

„Wie soll ich das alles nur schaffen? Wie nur, wie?“ Die Last, die auf den Schultern des Kronprinzen lag, wog bleischwer und machte ihn ohnmächtig. Er war schwach, verletzlich, war machtlos. Nur mithilfe seines engsten Beraters, der Unterstützung deiner Mutter und der Liebe seines Volkes würde er dies bewältigen können.

Ich finde keinen Zugang, der sowohl das, was mein Herz fühlt, und das, was meine Gedanken sagen, verbinden kann.“ Der Kronprinz atmete einmal schwer aus. Er erkannte, dass hinsitzen und heulen nicht die Lösung war, dennoch hatte ihm dies sehr gut getan. So rappelte er sich auf, strich sich die Kleider glatt und verließ sein Gemach.

Der Berater stand noch immer an der Treppe und hatte augenscheinlich auf ihn gewartet. Festen Schrittes lief der Kronprinz auf ihn zu.

„Verzeiht, dass ich einfach weggelaufen bin. Ich bin – und das sage ich Ihnen im Vertrauen – mit dieser Situation völlig überfordert“, gestand der Prinz.

„Das kann ich bestens nachvollziehen, Eure Hoheit“, zeigte der Berater sein Mitgefühl, „und ich werde alles tun, um Euch zu unterstützen.“

„Ich bin Euch zu tiefstem Dank verpflichtet.“ Der Kronprinz beäugte die Liste, die sein engster Berater Pistorius bei sich trug.

„Nun denn, so wollen wir die Vorbereitungen starten.“ Pistorius fuhr mit dem Finger über die Zeilen. Es gab noch viel zu tun. Doch die Zeit, um all dies vorzubereiten war zu kurz. Doch für nach einer großen Zeremonie war es dem jungen Thronfolger ohnehin nicht zumute.

Comentários


Beitrag: Blog2_Post
bottom of page