Cocktail party
Kim Posse
Sober drunkard - Teil 01
Deine verpeilteste Figur soll auf einer Party Cocktails mixen. Wie geht das Ganze aus?
Sober drunkard 01: Cocktail party
Ich liebte Partys. Darum hatte ich sofort zugesagt, als mich Vera fragte, ob ich sie begleiten wolle. Sie und ein paar Freundinnen aus ihrer früheren Schulklasse hatten eine kleine Party organisiert, zu der Vera auch mich und Dina eingeladen hatte.
„Ist das voll“, stöhnte Dina. „Ich glaube, ich bleibe nicht lange. Ich kenne nicht einmal jemanden.“
„Wo bleibt denn dein spanisches Temperament?“, wunderte sich Vera. „So kenne ich dich gar nicht.“
„Hm, keine Ahnung. Ich bin nicht wirklich in Stimmung.“
„Ich schaue mich mal um“, meinte ich und mischte mich unter die Leute. Einige Male wurde ich unsanft angerempelt, doch es machte mir nichts. So war das eben in einer größeren Menschenmenge. Umso beherzter rempelte ich zurück.
„Hey, komm mal her“, sprach mich ein junger Kerl hinter der Theke an.
Neugierig bahnte ich mir einen Weg zu ihm und musterte seinen stattlichen Körper. Sein strahlendes Lächeln ließ mein Herz einen Schlag aussetzen.
„Hey“, sagte ich dämlich grinsend und strich mir unbeholfen eine Strähne hinters Ohr. Ich war völlig überwältigt. Keine fünf Minuten, schon flirtete der süßeste Kerl der Party mit mir.
„Macht es dir etwas aus, wenn du diesen Müllsack kurz in die Küche räumst?“
„Hä? Dein Ernst?“ Ich konnte es nicht fassen, aber er war zu süß, um ihm eine Bitte abzuschlagen. „Na gut, gib schon her! Der Gast räumt es weg, kein Problem! Verrätst du mir im Gegenzug deinen Namen?“
„Klar, ich bin Marius. Und wie heißt du?“
„Ich bin Kim“, antwortete ich beschämt. Dann fasste ich mich wieder. „So, aber jetzt räume ich erst einmal den Müll weg. Ich bin gleich wieder bei dir.“ Mit dem Sack drängte ich mich durch die Menge und pfefferte ihn mitten in die Küche hinein. Sollte er doch sehen, was er davon hatte! Kurz blieb ich stehen, um tief durchzuatmen. Ich brauchte einen Plan. Ich musste diesem vorlauten Typen zeigen, dass er nicht mit mir so umspringen konnte. Ich musste ihm beweisen, dass ich mehr drauf hatte, als es mir anzusehen war. Entschlossen wandte ich mich um.
„Danke, Kim“, meinte er. Er mixte gerade einen Cocktail.“
„Darf ich dir helfen?“, fragte ich.
„Du? Hast du das schon einmal gemacht?“
„Ich habe dir den Müll weggetragen, da sollte es doch kein Problem sein, mich ein paar Cocktails mixen zu dürfen. Ich kenne mich da voll aus.“ Ganz bei der Wahrheit war ich zwar nicht geblieben – eigentlich war es komplett gelogen –, aber das musste er ja nicht wissen.
„Na gut, komm hinter die Theke.“ Er machte eine einladende Geste. „Dann zeig mal, was du drauf hast. Ich bin gespannt.“
„Lass dich überraschen!“ Ich war selbst gespannt, was ich da kreierte. Um lockerer zu werden, wollte ich ihn mit Smalltalk ablenken.
„Ist dir eigentlich schon einmal aufgefallen, dass in dem Wort Cocktailwürstchen dreimal das männliche Geschlechtsteil vorkommt.“
„Nein, aber danke, dass du mich darauf hinweist! Jetzt habe ich wohl jedes Mal ein Kopfkino, wenn ich einen Cocktail trinke“, murrte er.
Hervorragend! Genau das, was ich beabsichtigt hatte. Gern geschehen.
„Einen Caipirinha bitte“, bestellte unerwartet ein Partygast bei mir.
„Kommt sofort“, versprach ich. Mit großen Augen blickte ich Marius an.
„Na los, ich dachte, du kannst Cocktails mixen.“
„Klar, kein Problem!“, log ich und griff willkürlich nach einer der Flaschen, die aufgereiht vor mir standen.
„Was willst du mit einem Tequila?“, wunderte er sich. „Du weißt hoffentlich, wie ein Caipirinha gemacht wird.“ Es klang eher nach einer Frage, die ziemlich verzweifelt klang.
„Ich stehe gerade auf dem Schlauch. Was brauche ich dazu noch einmal?“
„Ach, gib her, ich mache es schnell. Das ist ja peinlich. Du brauchst Cachaça, Limette und Rohrzucker.“ Schon bereitete er den Drink zu und reichte ihn dem Gast.
„Stimmt, ich habe schon länger keine Cocktails mehr gemacht.“
„Schon länger? Oder überhaupt schon einmal?“
Darauf gab ich ihm keine Antwort, nur einen finsteren Blick warf ich ihm zu. Eifrig machte ich mich ans Werk und mixte sämtliche Zutaten zusammen.
„Was machst du da? Das sieht ja ekelhaft aus!“ Naserümpfend guckte er mir bei meiner Panscherei zu, die alles andere als gut aussah.
„Das … ist eine Eigenkreation. Lass dich überraschen.“ Ich mixte sämtliche alkoholischen Getränke zusammen. Was genau, wusste ich nicht einmal. Gefühlt im Sekundentakt änderte das trübe Getränk seine Farbe und waberte wie schleimige Wolken im Glas auf und ab. Meine Kreation vollendete ich mit einem Pfefferminz-Blättchen, das ich liebevoll obendrauf setzte. Strahlend schob ich ihm mein Cocktail-Wunder-Mischgetränk hin und forderte ihn mit einem freundlichen „Los, trink endlich!“ zum Trinken auf.
Erschrocken guckte er mich an, dann nippte er daran. Kurz ließ er sich den Geschmack auf der Zunge vergehen, dann nippte er erneut.
„Nicht wirklich lecker, aber es geht“, bewertete er, „aber mehr bekomme ich beim besten Willen nicht herunter. Außerdem darf ich nichts trinken. Ich muss arbeiten und muss nüchtern bleiben.“
„Das ist eine billige Ausrede. Los, trink!“, forderte ich ihn barsch auf und drückte ihm das Glas in die Hand. „Trink!“
Widerwillig setzte er erneut an. Ich nutzte die Gelegenheit und kippte ihm den gesamten Inhalt des Glases in ihn hinein. Geschockt blickte er mich an.
„Verdammt, ist das scharf!“, schnaufte er geschockt. Dann verdrehte er die Augen, sodass kurzzeitig nur noch das Weiße zu sehen war, und kippte schließlich nach vorne um – mitten in die Theke hinein, die nur provisorisch aufgestellt war und nun mitsamt den dutzenden Glasflaschen scheppernd umkippte. Mit einem Klirren breiteten sich die Schreiben wie nach einer Explosion im gesamten Raum aus, gefolgt von Spirituosen in allen Farben. Schnell war die Luft erfüllt von einem stechenden Geruch, der in den Augen brannte.
Erschrocken kreischten die Gäste auf – ich schrie am lautesten.
„Kim, w-was hast du getan?“ Fassungslos guckte Vera mich an. Sie hatte sich einen Weg durch das perfekte Chaos gebahnt.
Alles war voller Scherben, Marius lag mittendrin.
„Öffnet die Fenster, holt einen Krankenwagen!“, schrie Vera in das laute Gekreische der Menge und schaffte es tatsächlich, sich Gehör zu verschaffen. Sie wandte sich wieder an mich. „Kim, das hast du wirklich großartig hinbekommen. Sei froh, dass ich nicht deine Mutter bin. Da wäre das Donnerwetter doppelt so groß geworden, wie es für dich folgen wird. Lauf lieber, so lange du noch kannst. Ganz egal, wohin. Schau nur zu, dass du mir aus den Augen gehst!“
„I-ich …“, setze ich an, doch Veras Blick verriet mir, dass sie jedes Wort ernst gemeint hatte. Schlagartig ergriff ich die Flucht, ehe sie es sich noch anders überlegen konnte.