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Eichelkönig

„Ich erkläre es dir“, bot Hops an. Er fand es zwar verrückt, doch wenn sein Bruder darauf bestand. Schon Rico hatte er damals die Regeln zu diesem Spiel, das sie sehr oft spielten, erklärt. „Jeder sucht sich eine Eichel, außer der Schiedsrichter, der am Ende alle Eicheln bewertet. Der mit der schönsten Eichel gewinnt.“

„Können wir dann endlich anfangen?“ Ungeduldig scharrte Hopelina mit ihren Pfoten auf dem Boden. „Falls du nicht mehr weißt, nach welchen Kriterien bewertet wird: nach jeder. Größe, Geruch, Geschmack, Farbe, Alter, Festigkeit, Form, Gewicht, Klang, Oberfläche … mehr fällt mir momentan nicht ein.“

„Danke, ich glaube, ich habe es verstanden“, gab Jammerhop zurück. „Dann können wir jetzt anfangen.“

Schon schwärmten die Hasen und der kleine Grizzlybär in sämtliche Richtungen und durchforsteten den Boden nach möglichst hässlichen Eicheln. Rico erinnerte sich, dass er am Anfang tatsächlich die schönste Eichel gesucht hatte – und natürlich auch gefunden. Doch inzwischen wusste er, dass man bei diesem Spiel lieber verlieren sollte, weswegen er auch nach einem möglichst hässlichen Exemplar suchte. Hier ging es eher darum, sich zu unterbieten, um am besten auf dem letzten Platz zu landen.

Nun stöberte er herum und versuchte eine unansehnliche Eichel aufzuspüren. Leider wollte es im nicht gelingen. Scheinbar die schönsten Eicheln des Waldes warfen sich genau vor ihn und forderten ihn gerade so dazu auf, genommen zu werden. Rico wollte jedoch unbedingt verlieren, so suchte er angestrengt weiter, bis er endlich Erfolg hatte. Als er zurückkehrte, standen die Hasen bereits bereit. Jeder von ihnen trug eine Eichel im Maul.

Um die Eicheln zu markieren, ritzte nun jeder Hase mit seinen Zähnen seine Initialen in die Eichel hinein, ehe sie ihre Fundstücke abgaben. Rico verwendete dazu als Einziger seine Krallen. Seine Initialen lauteten Rc. Heimlich nagte er noch etwas an der Oberseite herum, um die Eichel zusätzlich hässlicher zu machen, doch diesen Trick verwendeten auch die Hasen seit Langem. Jeder tat das! So erwies sich die Bewertung beinahe als unmöglich, denn zwischen „hässlich“, „noch hässlicher“ und „potthässlich“ eine halbwegs schöne Eichel auszusuchen, war selbst für einen blinden Hasen kaum machbar.

Meist, so hatte es auch Rico damals aus Verzweiflung getan, suchte der Schiedsrichter sich eine Eichel wahllos heraus und bestimmte diese als die Gewinner-Eichel. Schließlich konnten die anderen nichts dagegen sagen.

Sobald der Gewinner bekanntgegeben wurde, lachten alle den unglücklichen Sieger – diesmal war es Hopelina – aus. Doch das nicht aus Gehässigkeit. Es war die pure Erleichterung, nicht selbst gewonnen zu haben. Denn jedes Mal wurde der Gewinner ausgelacht, da es keine größere Blöße geben konnte.

„Glückwunsch, Hopelina“, grinste Rico und warf glücklich die übrigen Eicheln zurück in den Wald. „Weg damit“, rief er, „diese schnöden Dinger brauchen wir nicht mehr!“

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